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Logbuch der SY Seluna

7. Dezember 2009: Lanzarote

Und das soll Spass machen?!?

Bild vom Frachter

Wir haben unsere erste längere Überfahrt heil überstanden. Aber es war nicht einfach für uns. Gleich nach der Ausfahrt aus Cadiz ist uns ein Frachter sehr nahe gekommen. Später haben wir gehört, dass es durchaus Kapitäne geben soll, die sich einen Spass daraus machen, die Segler zu erschrecken… Es scheint einer von ihnen gewesen zu sein.
Das Wetter war wie erwartet – fast. Die ersten Tage blies der Wind aus Nordost mit um die sechs Beaufort. In Böen auch deutlich mehr. Der von einem Tief über Irland aufgebaute Atlantikschwell war wie angekündigt um die fünf bis sechs Meter. Und diese Wellen schoben uns mit grosser Kraft in Richtung Kanaren. Eine Rauschefahrt! Wären da nur nicht die Wellen gewesen, die vom afrikanischen Festland her die Atlantikwellen überlagert haben. Es hat uns richtig durchgeschüttelt. So sehr, dass ich mich die ersten drei Tage unglaublich unwohl gefühlt habe. So schnell wie möglich habe ich beim Schichtwechsel das Ölzeug an- oder abgelegt. Ansonsten hab ich gar nichts mehr auf die Reihe gekriegt. Schlafen (manchmal sogar gleich im Cockpit, trotz der Kälte), dann wieder Wache schieben und ein bisschen Brot kauen, dann wieder schlafen… Es war eher ein Dahinvegetieren als leben. Glücklicherweise ging es Leo [etwas] besser. Er hat sich rührend um mich gekümmert, Essen gekocht und mir eine warme Decke gebracht... Trotzdem war die Stimmung ziemlich auf dem Nullpunkt angelangt. Wir haben uns gefragt: „Warum? Wozu das alles?“. Wir hatten gehofft, dass uns die längeren Passagen wirklich Spass machen… Ja, segeln ist manchmal eine äusserst unbequeme Art des Reisens.
Und dann wurde es ruhiger. Die Wellen und der Wind nahmen allmählich ab. Und wir hatten wieder Augen für die Schönheiten des Meeres. Die Aussicht auf den Wellenrücken war unglaublich! All die Delfine und Wale! Einige kleine Schwertwale tauchten nur wenige Meter neben uns auf. Nur mit dem Fischen hatten wir diesmal kein Glück.
Nach fünf Tagen kamen wir auf Lanzarote an. Ankommen. Schlafen. Essen. Heiss duschen. Und die Welt sieht schon ganz anders aus! Schon fast vergessen sind die Strapazen. Wir fühlen uns sehr wohl hier. Und endlich haben wir Zeit, sind nicht mehr zu spät dran. Müssen nicht auf ein Wetterfenster warten. Hier bläst der Passat. Und das bis Januar oder Februar.

Bild von Marina Rubicon

Die Marina Rubicon, in der wir für mindestens zwei Wochen festmachen, ist ein kleines Dorf. Weltumsegler treffen auf solche, die es noch werden wollen. Andere haben hier ihr Winterquartier, um dem Winter in Europa zu entfliehen oder leben auf ihrem Schiff ihren Lebensabend. Wir hören Geschichten, die das Leben schrieb. Zum Beispiel jene von einer 60-jährigen Frau, die mit ihrem Mann nach langer Segelreise auf Lanzarote ankommt. Am nächsten Tag verstirbt ihr Angetrauter an einem Herzinfarkt. Nun ist sie seit zwei Jahren hier, hat die Insel lieben gelernt, findet hier neues Glück und wird schon bald mit Freunden über den Atlantik aufbrechen, um auch das Segeln wieder lieben zu lernen. Viele solcher Geschichten hören wir. Und eines haben diese Menschen gemeinsam: sie leben im Hier und Jetzt, sie lachen und freuen sich des Lebens. Sie helfen sich gegenseitig mit Ratschlägen und Taten. Vielleicht ist es unser erster Einblick in die Seglergemeinschaft. Und es macht uns Mut. Von allen Seiten hören wir, es sei das einzig Richtige, dass wir uns in so jungen Jahren auf den Weg machen. Es macht uns Mut, dass wir unseren Rhythmus finden werden und dass unsere lange To-Do-Liste in keinster Weise aussergewöhnlich ist…
Letzte Änderung am 5 04 2010 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt