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Logbuch der SY Seluna

7. Februar 2010: Szenen einer Atlantiküberquerung

Bild vom Regenbogen
Nachts um vier. Leo weckt mich - es ist meine Schicht. Für die nächsten drei Stunden. Ich bin todmüde. Nach 14 Tagen Schichtbetrieb ist langsam die Energie weg. Es schaukelt. Ich quäle mich aus dem Bett. Im Sitzen ziehe ich mich an, gehe zur Toilette und habe alle Mühe, mich irgendwo festzuhalten. Müde. Mit ein paar Keksen, einem warmen Tee und der Schwimmweste bewaffnet setze ich mich ins Cockpit. Kämpfe nach kurzer Zeit schon gegen den Sekundenschlaf. Kontrolliere nochmals alles ringsum, stelle den Wecker und lege mich auf die Cockpitbank. Wellen schütteln mich gleich wieder wach. Nordwestlich zieht eine Front auf und direkt auf uns zu. Dahinter die nächsten, dann wieder eine. So geht es vier Tage lang. Immer wieder reffen wir die Segel. Manchmal regnet es. Die hohe Dünung schüttelt uns durch. Der Schlaf ist so nicht gerade sehr erholsam. Die Stimmung fällt entsprechend. Auch ein paar Delfine können uns nur kurz aufheitern. Wieso machen wir das? Wie lange noch? Einfach mal schlafen - eine ganze Nacht lang. Was wäre das für ein Luxus! Zynisch zitieren wir all die Segler, die uns Geschichten erzählt haben wie "Ich hab einmal die Segel eingestellt, und nach 14 Tagen war ich drüben." - "Den Spinnaker haben wir gesetzt und zehn Tage lang oben gelassen." Und noch viel besser: "Eine Atlantiküberquerung ist langweilig!" Nein, sie ist nicht langweilig (dazu gleich mehr), sie ist in erster Linie anstrengend. Sehr anstrengend!

Meerbild

Ich blicke auf das Meer. Stundenlang, tagelang. Sehe viele Gesichter des Meeres. Manchmal hohe, steile See. Die Kämme brechen sich, die Gischt wird weggeblasen. Manchmal lang gezogene Dünung. Kleine Wellen überlagern die grossen. Manchmal kräuselt sich die Oberfläche nur leicht. Manchmal ist es gar spiegelglatt. Manchmal spiegelt sich der Mondschein in der Wasseroberfläche. Manchmal leuchtet das Plankton in den Wellen auf. Manchmal ist das Meer tiefblau, manchmal silbrig, manchmal golden. Stundenlang blicke ich auf das Meer. Höre ihm zu. Rieche es. Spüre seine Wellen. Auf dieser Überfahrt lehrt mich das Meer Geduld und es wird mich noch mehr lehren. Ich blicke auf das Meer.


Ein Blas. Das wal's.

Delfinbild

Delfinbild

Der Passatwind bläst. Der Dreimeter-Schwell schiebt uns nach Westen. Wir machen gut Fahrt und das bei schönem Wetter. Wir reden über Delfine, wie schön es ist, wenn sie einen begleiten. Da erzähle ich von der Delfinschule aus mehreren tausend Tieren, die ich damals in Baja California fern am Horizont bewundern durfte. Just in dem Moment will uns wohl der Atlantik beweisen, dass er das toppen kann. Aus dem Nichts tauchen plötzlich rings um uns Delfine auf. Am Bug ist ein solches Gedränge, dass man meint, über das Wasser gehen zu können. Auf beiden Seiten des Bootes, in jeder Welle, zu zweit, dritt, manchmal auch zu fünft nebeneinander: Das Meer scheint voll von Delfinen zu sein! Etwas weiter entfernt ist eine zweite Delfinart, die sich beim Springen um die eigene Achse dreht. Wir stehen auf dem Vorschiff und jauchzen wie verrückt, applaudieren bei jedem gelungenen Sprung und vergessen den Rest der Welt. Und so übersehen wir auch lange das Frachtschiff, das uns zum guten Glück nicht allzu nahe kommt…

Wir haben einen Delfin gesehen und einen Walrücken, einen auf dem Bauch liegenden Elefanten und einen Traktor, ein galoppierendes Wildschwein, ein rechtwinkliges Dreieck, zwei sich ankeiffende Mäuse und ein Doppeldeckerflugzeug, ein trommelndes Eichhörnchen, ein Moorhuhn und ein Herz. Am Himmel.

Flautenbild

Früher Nachmittag. Flaute. Spiegelglatte See. Das Wasser voller Krill. Die Sonne wärmt angenehm. Nur wenige kleine Passatwolken sind am Himmel. Und plötzlich: Da! Was schwimmt da im Wasser? Steuerbord achterlich sehen wir ein paar helle Flecken. Dann ein Blas! Wale! Mindestens zehn an der Wasseroberfläche. Vielleicht noch mehr. Ab und zu sehen wir eine Schwanzflosse. Riesig müssen diese Tiere sein. Wir schätzen sie auf gut 20 Meter. Und dann passiert das Unfassbare: Sie fangen an zu springen! Manche kommen halb aus dem Wasser und lassen sich dann fallen, dass es nur so spritzt. Und, wie um den anderen zu imponieren, nehmen einzelne viel Anlauf und springen vollständig aus dem Wasser, bis und mit der Schwanzflosse! Dann drehen sie sich auf die Seite und platschen auf das Meer. Nie haben wir gedacht, dass wir so ein Naturschauspiel auf unserer Reise erleben dürfen! Mithilfe unseres Walbestimmungsbuches kommen wir zum Schluss, dass es Finnwale gewesen sein müssen. Sie werden bis zu 27 Meter lang, 75 Tonnen schwer und sind damit die zweitgrössten Wale der Welt. Und sie springen gern. Dieses Bild der riesengrossen Wale, die für einen Moment vollständig in der Luft zu schweben scheinen - das werden wir nie vergessen.

Wolkenbild

Wahrscheinlich war es eine Atlantiküberquerung wie viele andere auch. Alle paar Tage haben uns Delfine und verschiedene Seevögel besucht. Wir haben nachts ein paar fliegenden Fischen zurück ins Meer geholfen. Wir haben geschlafen, gekocht, gefischt, gelesen, Domino gespielt und wieder geschlafen. Aber zumindest das Wetter war nicht typisch. Die ersten sechs Tage waren wir auf der Suche nach dem Passatwind. Wir waren schon fast auf den Kapverden, als der Wind endlich auf Ost/Nordost drehte. Dann ein paar Tage mit sehr unbeständigem Passatwind.

Fischbild

Oft schlief er wieder ein. Dann plötzlich zwei Tage völlige Flaute. Wir warteten auf die typische Gewitterfront, nach der der Passat wieder einsetzen sollte. Es kam aber stattdessen eine Front aus Nordwest und sie brachte uns vier Tage lang Nordwestwind - wir segelten also hart am Wind und schräg gegen die Wellen, die uns mächtig bremsten. Dann endlich wieder Ostwind - aber zum Teil mit über 7 Beaufort und teilweise sehr ungemütlicher Kreuzsee. Am Ende schlief der Wind wieder ein und wir motorten den Rest, um endlich anzukommen und unsere Freunde auf Grenada zu treffen, die schon auf uns warteten. Und nun sind wir also hier, nach 24 Tagen auf See, mit keinen grösseren Schäden, gesund und einfach glücklich, angekommen zu sein und wieder einmal Grün zu sehen.
Letzte Änderung am 15 03 2010 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt