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Logbuch der SY Seluna

Juni / Juli 2010: Kuna Yala - Erster Teil

Palminselbild
Kuna Yala ist für uns wie eine kleine Oase. Eine Oase der Ruhe nach all der Hektik in den Antillen (Ich weiss schon, dass in den Reiseführern der Antillen steht, als Europäer bekomme man leicht einen Kulturschock, weil das Leben auf diesen Inseln so ruhig und ohne viel Ablenkung verläuft). Das Leben hier ist dermassen gemächlich, dass es eine Aufregung bedeutet, wenn einmal alle zehn Tage oder so der fliegende Gemüsehändler vorbeikommt. Nur wenige Segler sind in dieser Saison hier. Zurzeit um die 60 in ganz Kuna Yala, also einem Küstenstreifen von etwa 120 Seemeilen. In der beliebtesten Bucht sind es manchmal bis zu zwanzig Boote - kein Vergleich zu den fast hundert Yachten in der Rodneybay auf St. Lucia. Warum diese eine Bucht hier so beliebt ist? Weil hier in den West Lemons ein sesshaft gewordener Ex-Segler ein Internetcafé auf die Beine gestellt hat. Mit Solarzellen erzeugt er den Strom für das Netz und für den grossen Fernseher. So der Plan. Aber an bewölkten Tagen kommt es schon mal vor, dass die Segler in ihren Dinghys mangels Strom oder Empfang wieder zurück auf's Schiff fahren, um das Fussball-WM-Spiel wenigstens am Radio verfolgen zu können.
Ulubild
An den etwas touristischeren Orten wie Chichime kommen jeden Tag ein paar Indianer in ihren Ulus vorbei, um Fisch, Langusten oder Molas zu verkaufen. Wem das zu viel ist, der sucht sich eine andere Insel aus. Unter den über 340 Inseln hier gibt es genügend, die unbewohnt sind. Und da sich die meisten Segler hier im Westen tummeln, gibt es im Osten noch genügend zu entdecken für die Abenteuerlustigeren. Bisher gehörten wir nicht dazu. Wir haben es innert einem Monat gerade mal von Chichime zu den West Lemmons geschafft. Das sind in etwa vier Meilen, oder eine Stunde Fahrt...
Und da sind wir nun also und lernen ein paar andere Segler kennen. Ein deutsches Paar, welche auf ihrer Yacht namens 42 vielleicht tatsächlich die Antwort auf "life, the universe and everything" gefunden hat. Und ein Einhandsegler, der Fische auf Tiefen von bis zu 30 Metern speert. Natürlich ohne Tauchflasche. Die Gespräche in dem kleinen Strandcafé sind erstaunlich politisch und auch erstaunlich vernünftig. Aber was Euch viel mehr interessieren wird, ist das Leben der Indianer hier.

Die Inseln im östlichen Panama und ein Stück des Festlandes bis zur Grenze zu Kolumbien wird von den Kuna autonom verwaltet. Die Kuna, so steht es in unserem Führer, sind das Indianervolk in Amerika, das seine Kultur und seine Traditionen am besten erhalten hat. Aber sie haben auch hart dafür gekämpft. Und das gipfelte 1925 in dem sogenannten "holocausto de las razas", der Rebellion, in welcher nebst Angehörigen der panamesischen Polizei auch alle Familien mit gemischten Ehen umgebracht wurden. Noch heute ist es den Kuna verboten, einen Nicht-Kuna zu heiraten. Sonst wird er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Kuna Yala unterteilt sich in mehrere Gebiete, die jeweils von einem Congreso verwaltet werden. Der Sahila, das weltliche und religiöse Oberhaupt eines solchen Gebiets, trifft seine Entscheidungen an öffentlichen Sitzungen, die je nach Gebiet fast täglich nachmittags stattfinden und zu denen sich die ganze Gemeinschaft einfindet. Hier kann man um Erlaubnis bitten, als Tourist einen Fluss zu befahren. Oder ein Mann muss zur Strafe, weil er seine Frau geschlagen hat, Korallenkies am Meeresgrund sammeln, um damit die Insel wieder aufzuschütten. Wir haben von der Geschichte gehört, dass sich Freunde wunderten, warum auf einer Insel keine Hunde zu finden sind. Die gibt's hier sonst überall. Die Antwort: Ein Kind wurde von einem Hund gebissen und der Sahila entschied daraufhin, dass es keine Hunde mehr auf diesen Inseln geben dürfe. So gingen die Kuna nach Hause und töteten ihre Hunde. Die Indianer scheinen sich, so weit wir das mitbekommen haben, uneingeschränkt an das zu halten, was am Congreso beschlossen wurde. Auch wir haben das erlebt. Auf Chichime Dumat haben wir einen alten Mann gesehen, der ein kleines Ulu baute. Wir baten ihn um Erlaubnis, ein Foto zu machen. Doch er meinte, der Congreso erlaube das nur für einen Dollar. Warum ein Dollar? Weil ein Kuna einmal in Panama an einem Kiosk eine Postkarte mit einem Bild einer Kuna-Familie gesehen hat. Und diese Karte kostete einen Dollar. So jedenfalls die Legende. Aber zurück zu dem alten Kuna, der ein Ulu baute. Es sah genauso aus, wie all ihre Holzkanus, nur war es sehr viel kürzer. Eher wie ein Trog. Er baute es für einen kranken Menschen. Diese kleine Wanne wird für ein rituelles Bad benutzt, um einen Kranken zu heilen. In unseren Reiseführern erfahren wir noch einiges mehr über die geheimnisvollen Traditionen der Kuna. So hat beispielsweise jeder Kuna eine kleine Nuchu, eine etwa 30 Zentimeter grosse Statue. Sie ist die Verbindung zwischen der spirituellen und der physischen Welt. Die Kuna glauben, dass die Nuchus leben. Sie repräsentieren ihren Besitzern in der mystischen Welt, haben dabei aber auch einen eigenständigen Charakter. So gibt es starke wie schwache, gute wie böse Nuchus. Die Nuchus spielen eine zentrale religiöse, aber auch medizinische Rolle. Wenn jemand sehr krank ist, so bringt er seine Nuchu zum Schamanen.

Bild
Die Kuna leben in Grossfamilien in einer oder mehreren mit Palmwedeln gedeckten Hütte. Auf Chichime haben wir bei einer Familie ab und zu frisches Brot gekauft. Und so bekamen wir einen Einblick in ihre Hütte. Sie war sehr karg eingerichtet. Zwei parallele Balken tragen die ganzen Hängematten. Ansonsten gab es noch zwei drei Kisten mit ein paar Habseligkeiten und einen Einbaugasherd. Normalerweise kochen die Kuna auf einer Feuerstelle. Sie machen meist Eintopf mit Kokosnuss, Fisch und Kochbananen. Der Gasherd war schon aussergewöhnlich. Hier buk die Frau Brot auch für die Nachbarn. Wir wollten also Brötchen kaufen. Zwei Stück kosten 25 Cents. Wir wollten Brot für einen Dollar. Die Frau, die etwas spanisch kann, ging zu einem alten Mann, der in der Hängematte lag und erklärte ihm, was wir wollten. Er fing an zu rechnen. Wir standen schräg hinter ihm im Eingang der Hütte und sahen nur seine beiden Hände. Er fing an zu rechnen und zählte immer wieder von neuem an den Fingern ab, wieviele Brötchen es denn nun für einen Dollar geben würde. Aber ihm gingen immer wieder die Finger aus und er verzählte sich. Unterdessen kam ein kleiner Junge und zeigte mir ganz stolz seinen kleinen Hundewelpen namens Aka. Für mehr Unterhaltung hat sein Mut nicht gereicht. Wir versuchten, die Frau zu überzeugen, dass wir acht Brötchen bekämen für einen Dollar. Und als der alte Mann statt seine Finger die Brötchen abzählte und in einen alten Plastiksack packte, war er mit uns einig. Und das Brot war lecker! Ofenwarm. Zufrieden gingen wir zurück zu unserem Dinghy. Auf dem Weg kam uns ein junges Mädchen einer anderen Hütte entgegen und wollte in fliessendem Spanisch wissen, woher wir denn diese Brötchen hätten. Wir müssen wohl ziemlich blöd aus der Wäsche geschaut haben, denn sie wiederholte ihre Frage noch einmal etwas langsamer und meinte, sie wolle doch auch Brot holen. Ich zeigte ihr die Hütte und versicherte ihr, dass es dort genügend zu kaufen gäbe. Es war uns völlig unverständlich, warum sie uns das fragte. Auf dieser Insel wohnen gerade einmal fünf Familien und in etwa 10 Minuten ist man um die ganze Insel spaziert. Da weiss man doch, wo was ist, wenn man dort lebt? Nein, nicht unbedingt. Denn die meisten Kuna besitzen kein Wohnrecht an einem bestimmten Ort und die Hütten gehören ihnen somit auch nicht, sondern eben der ganzen Gemeinschaft. Der Sahila entscheidet, wer wann wo wohnen darf. Alle zwei bis drei Monate ziehen die Familien um und sind meist erst zwei Jahre später wieder am selben Ort anzutreffen. Auf Chichime Pippi, der Nachbarinsel, hat eine Frau das lebenslange Wohnrecht in ihrer Hütte. Warum das so ist, wissen wir nicht. Das Recht gilt jedenfalls in dieser matriarchischen Gesellschaft nur für sie. Und sie ist schon recht alt. Die Zukunft ihrer Tochter und deren Mann ist ungewiss. Da also die Familien immer wieder umziehen, sind alle Hinweise, wo man besonders schöne Molas oder eben frisches Brot kaufen kann, nach kurzer Zeit nicht mehr aktuell.

Ulubild

Die Kanus der Kuna, die Ulus, werden gepaddelt oder bei Wind auch gesegelt. Und die Kuna sind gute Segler. Wir haben beobachtet, wie zwei junge Männer bei schon recht starkem Wind mit ihrem völlig übertakelten Ulu nur so dahingerauscht sind. Einer stand auf dem Rand weit nach aussen gelehnt und hielt an einer Schnur den Mast fest. Also Trapezsegeln ohne Trapez. Der andere steuerte das Ulu mit dem Paddel. Dafür hatten sie keine besondere Vorrichtung, er hat einfach das Paddel ins Wasser gehalten. Die Schot banden sie am Heck fest. Dieses Bild vor Augen könnt Ihr Euch gut vorstellen, dass die Kuna eine sehr sportliche Figur, wenn auch bei kleiner Statur, haben.
Damit wir auch wieder etwas sportlicher aussehen, gehen wir jetzt mit unserem Kanu paddeln! Ein ander Mal mehr von dieser faszinierenden Inselwelt. Es gefällt uns sehr in Kuna Yala und wir werden noch ein paar Monate hier auf Entdeckungsreise gehen.

Letzte Änderung am 31 07 2010 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt