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Logbuch der SY Seluna

Nachtleben

Die Sonne war schon längst untergegangen. Der Himmel sternenklar und eine ganz dünne Mondsichel liess sich ausmachen. Wir zogen unsere Pyjamas an - ja, im Winter ist's auch hier kälter! - und legten uns ins Bett. Dann, auf einmal, zog eine Gewitterfront über uns hinweg. Der Wind drehte auf einen Schlag um 180 Grad und blies uns heftig um die Ohren. Es fing an zu schütten. Leo stand auf und ging ins Cockpit, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Schräg hinter uns, zwei Schiffe weiter, lag ein uns wohlbekannter Katamaran. Sein Anker hielt nicht und er rutschte zügig in Richtung Riff. Ansonsten schien alles normal. Doch auch ich wurde unruhig und stand auf. Ein Blick auf unser GPS zeigte mir, wir rutschten auch. Gerade wollte ich Leo Bescheid sagen, da tönte es auch von draussen herein: "Unser Anker hält nicht!" Es hiess rasch handeln, wollten wir nicht in dem engen Ankerfeld in ein Schiff hineinfahren.
Gewitter-Bild
So schnell wie möglich warfen wir den Motor an [d.h. in der Werkstatt die Bodenbretter leerräumen und herausnehmen und das dicke Kabel anschrauben - weil der neue Hauptschalter noch nicht installiert ist... Die zwei Schalter umkippen, Schlüssel drehen und er läuft. Immer auf Anhieb.]. Leo stellte sich ans Steuer, weil er gross genug ist, um über das Bimini hinweg zu sehen. Ich also nach vorne an den Anker. Beide im Pyjama. Kurz vor Mitternacht. Es regnete in Strömen. Ab und zu erhellte ein Blitz die Ankerbucht, so dass man sich wenigstens ein bisschen orientieren konnte. Ansonsten wurde die Sicht durch den Regen stark behindert. Ich sag Euch, Spass ist was anderes! Innert Kürze waren wir beide pflotschnass. Leo hatte alle Mühe, unsere Seluna durch die Böen zu manövrieren. Anker auf. 60m Kette in den Ankerkasten verteilen. Einen Platz weit genug von den anderen Schiffen suchen - die man fast nicht sieht... [Leos Bemerkung: steuern, sich festhalten und ab und zu anderen Schiffen einen Schein anwerfen] Dann Anker wieder runter. Ich ging ins Cockpit, um mich etwas aufzuwärmen. Zitterte am ganzen Körper. Das Adrenalin half, dass wir beide hellwach waren. Gespannt beobachteten wir die Bewegungen des Schiffes. Doch der Anker hielt wieder nicht.
Gewitter-Bild
Also nochmal das gleiche Spiel. Wir wussten, wo in der Bucht der Ankergrund besser gewesen wäre. Aber mitten in der Nacht bei null Sicht und diesen Böen wagten wir uns nicht so weit zu fahren. Also noch ein Versuch am gleichen Ort. Es regnete noch mehr, die Blitze schlugen ungemütlich nah ein. Doch diesmal hatten wir mehr Glück. Der Anker grub sich ein - oder blieb irgendwo an einem Stein hängen. Jedenfalls hielt er. Wir liessen noch mehr Kette hinunter, um sicher zu gehen. Noch eine Weile sassen wir im Cockpit und beobachteten alles um uns herum. Dann waren wir einigermassen beruhigt. Ein heisser Tee wärmte uns auf, danach legten wir uns hin. Doch immer wieder schreckten uns Böen auf. Wir fühlten uns sehr unwohl, waren unsicher, ob wir den Ankeralarm überhaupt hören würden bei dem Getöse. Irgendwann setzte ich mich vor das GPS, damit Leo ruhiger schlafen konnte. Ich schlief minutenweise, und schaute immer mal wieder, ob alles in Ordnung ist. Bis sich irgendwann der Wind beruhigte und meine Augenlider so schwer wurden, dass ich mich nur noch hinlegen zu brauchte und sofort einschlief. Am nächsten Tag verholten wir an einen besseren Ort. Und diskutierten und diskutierten. Nie hätten wir gedacht, dass uns das passieren könnte. Der Anker hat doch einfach immer gehalten. Immer waren wir vorsichtig, haben ihn gut eingefahren, genügend Kette gesteckt. Nun, Ende gut, alles gut. Es ist nichts weiter passiert. Nur die Pyjamas sind nass geworden...
Gewitter-Bild
Was würden wir heute anders machen? Nun, unsere Art zu ankern hat sonst immer gut funktioniert. Wir werden es weiterhin so machen. Normalerweise hält der Anker auch bei 180-Grad-Drehungen mit Starkwind gut. Es scheint, dieser Winddreher hat unseren Anker von irgendetwas losgerissen und der Schlamm verhinderte ein erneutes, schnelles Eingraben bei der Bootsgeschwindigkeit. Auf Schlamm lassen wir den Anker üblicherweise mindestens 30 Minuten einsinken, bevor wir ihn einfahren. Nun, das ist auch ein Teil des Bordlebens: Man gewöhnt sich an die Geräusche und die Schiffsbewegungen, wacht auf, wenn etwas anders ist. Manchmal wird man unruhig und weiss nicht so genau, wieso. Oft steht einer von uns mitten in der Nacht auf. Wie das wohl wird, wenn wir es jemals bis nach Patagonien schaffen?
Letzte Änderung am 30 06 2012 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt