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Logbuch der SY Seluna

Leo auf Umwegen - oder: Bürokratie auf Panamesisch

Wie in jedem Land erhält man in Panama ein Touristenvisum, das nur für eine bestimmte Zeit gültig ist. Glücklicherweise ist es uns Europäern erlaubt, bis zu sechs Monate hier zu bleiben. Danach muss das Land für mindestens 72 Stunden verlassen werden, bevor ein neues Visum ausgestellt werden kann. Neuerdings (man sagt seit 2008) gibt es ein Gesetz, das Seglern einen Einjahresaufenthalt erlaubt. Dieses sogenannte Matrosenvisum passt zum Cruising Permit (dem Visum fürs Schiff), welcher auch ein Jahr gültig ist. Seit ein paar Monaten wird dieses Gesetz tatsächlich auch umgesetzt: Jeder Beamte fängt zu einer anderen Zeit damit an, die "neuen" Weisungen auszuführen, und das auf seine eigene Art. Wir haben ein paar dieser Änderungen erlebt: Nach Monaten pendelt es sich ein und die meisten Amtsstellen verfahren gleich. Währenddessen klatscht und tratscht die Seglergemeinschaft: "In Portobelo gibt es NUR noch das neue Visum für 100.- statt 15.-, jedoch muss zuerst der cruising permit in Colon geholt werden", "in Colon gibt es das neue Visum nicht, dafür muss das Visum bei der Ausreise bezahlt werden", "in Panama City ist das neue Visum nur erhältlich, wenn man den Blauen Zettel (erhältlich zum Cruising Permit, jedoch nur in Colon, nicht in Porvenir) mitbringt"... Der Klatsch lässt also viele Fragen offen. Und so bleibt etwas, um die Abenteuerlust im Bürokratiedschungel zu befriedigen: Kann das neue Visum auch anstelle einer Ausreise gelöst werden, sozusagen als Verlängerung? Lässt sich alles in einem in Panama City erledigen, wo der Hauptsitz der Behörde liegt? Wir waren optimistisch und planten den "blauen Zettel" falls überhaupt nötig in Colon per Bus zu holen.
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Ich machte mich also auf den Weg nach Panama City, was eine halbe Tagesreise per Taxiboot und Allradtaxi bedeutet. Gleich nach der Ankunft, gegen Mittag, ging's weiter per Taxi zur Autoridad Marítima im Stadtteil El Diablo. Der Taxifahrer fand zwar die Autoridad Marítima, aber leider nicht das richtige Gebäude. Der erste Portier schickte mich ein Haus weiter, zu einem unbeschrifteten Haus, oder besser gesagt einer Baustelle. Dort wollte der Pförtner gleich den Pass behalten als Tausch gegen einen Besucherausweis. Als ich dies verweigerte, fragte er nochmals einen Kollegen im Gang, wo man denn den Cruising Permit lösen könne. Nicht hier. Ich wurde weiter zur PanCanal Behörde geschickt (Spaziergang von 500m). Der dortige Pförtner gab mir keinen Besucherausweis und meinte, ich solle im dritten Stock bei der Information anfragen.
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Das Büro mit der Beschriftung "información" sieht sehr speziell aus: dreieckiger Grundriss, eine Theke mit drei Leuten dahinter und davor überall Pulte und Stühle, die von einer Schule geerbt sein könnten. Nur die drei Leute hinter der Theke trugen eine unbeschriftete Uniform, das andere Dutzend Angestellte trug zivil. Man wies mich an die Theke zur Dame in der hintersten Ecke des Raumes. Sie verschanzte sich hinter ihrem Schreibtisch und war nicht gerade erfreut über meinem Besuch. Denn offensichtlich gab sie nicht nur Auskunft, sondern war auch jene, die diesen Cruising Permit ausstellen sollte. Aber sie wusste nicht wie. Und es war Arbeit. Und das erst noch am Nachmittag. Aber vor Beginn musste ich erst die Stempelgebühr bezahlen: ein Laufzettel muss aus dem Gebäude, zwei Türen nach links ins Café gebracht werden. Dann quer durch das Café, im Büroteil dahinter, im hintersten Büro links sitzt eine ältere Dame an einem Minitisch mit einer Maschine. Für $8.- zieht sie den Zettel durch die Maschine und er ist frankiert.
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Damit zurück ins Informationsbüro. Da ich die Weganweisungen für diesen Stempelzettel nicht auf Anhieb verstanden hatte, traute die Angestellte meinem minimalen Spanisch gar nicht mehr. So musste ich zuhören, wie sie ihre Kollegen fragte, was denn dies oder jenes auf Englisch heisse. Ich gab ihr meist Antwort ohne die Übersetzung abzuwarten. Trotzdem fragte sie mich nie direkt. Ihre Fremdsprachenkentnisse waren nicht vorhanden. Sie konnte sich aus dem in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache ausgestellten Flaggenschein nicht die gesuchten Daten zusammenreimen (z.B. Schiffsname, -gewicht, -motorstärke, Baujahr oder Bauland..). Ich gab ihr den alten Cruising Permit zum abschreiben. Doch dabei wurde ich umbenannt in Leo Merl Langassi, worauf ein Kollege den alten Cruising Permit ansah und ihr erklärte, dass "Langgassi" zur Adresse gehöre und nicht Teil des Namens sei. Naja, der Schweizerpass ist eben auch nicht in Spanisch.
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Ich glaubte verstanden zu haben, dass mein Name der Grund war, dass sie mich mitnahm in ein anderes Büro, nennen wir es zweites Büro, denn angeschrieben war es nicht. Dort gab sie den halbausgefüllten Computerausdruck ab, und verlangte, dass der Chef das ändere. Es scheint, dass ich nun unter Leo Merl Langgassi im System war und nur der Chef das ändern konnte... Auf ihr "ich müsse morgen wiederkommen" erwiderte ich, dass ich morgen um 5.30h wieder zurück nach Kuna Yala fahren würde und es wäre sehr wichtig für mich, dass ich den Permit heute noch erhalte. Erfreulicherweise erhielt mein Wisch nun scheinbar eine bessere Prioritätsstufe. Ich wurde aufgefordert im Warteraum, einem Gang mit ausgesonderten Stühlen, auf denen die Angestellten ihre Pause machten, zu warten. Nach einer Weile durfte ich mit einem anderen Laufzettel zur Kasse im Parterre gehen. Dort erklärte man mir, dass ich die $193.- für den neuen Cruising Permit nicht bar begleichen könne: alles über hundert Dollar müsse per Check bezahlt werden! Nach verzweifeltem Betteln führte mich eine freundliche Dame der Kasse in ein drittes Büro im dritten Stock und holte sich dort nach einiger Diskussion eine Ausnahmebewilligung mit Unterschrift: ich durfte bar bezahlen. Zurück zur Kasse, zurück zum 2. Büro mit der Quittung, von dort zurück ins 1. Büro. Auf dem Weg dorthin fällt mir auf, dass die meisten Angestellten flüchten: es ist 4 Uhr, Feierabend. Soviel zu meinem Plan beim Migrationsbüro noch am selben Tag die Visa zu holen... Im 1. Büro stellt mir die Dame endlich den Cruising Permit aus: gültig ab heute bis Mitte Juli. Ich hatte also den Jahresbetrag für 2.5 Monate bezahlt! Und die Visa für je 100.- gelten jeweils so lange wie der Permit... Ich unterschrieb also das "Quittungsbuch" nicht für den Empfang des Permit und erklärte der Dame, ich wolle einen Jahrespermiso. Das ginge nicht, weil mein Flaggenschein Mitte Juli auslaufe. Ich erklärte ihr, dass der Flaggenschein erst dann erneuert werden würde. Sie führte mich also wieder ins 2. Büro zu den Leuten mit den Kompetenzen. Diese blieben stur, so sei eben das Gesetz. Ich gab auf und erklärte, ich wolle diesen Schein nicht, die Angestellte hätte mich darauf hinweisen sollen, dass der Schein nicht ein Jahr gültig sei. Ich wollte nur noch mein Geld zurück, glaubte aber natürlich nicht daran. Die Leute im 2. Büro waren erfindungsreich und freundlich: ich könne ja mit dem neuen Flaggenschein vorbeikommen und sie würden mir dann den Cruising Permit abändern auf ein Jahr. Sehr nett, aber für das Visum leider unbrauchbar. Zudem erhält man solche Gefälligkeiten niemals schriftlich versprochen. Ich beharrte weiterhin darauf, den Schein nicht anzunehmen. Die freundliche Dame im 2. Büro wollte mir sogar eine Gutschrift auf mein Schiff ausstellen, ging zur Chefin und diskutierte, während ich im Wartegang Däumchen drehte. Und plötzlich ging es gespenstisch schnell: ich wurde aufgefordert ins 2. Büro zu kommen, dort nahm mich eine Angestellte in Schlepp und ging mit mir zur Kasse. Sofort erhielt ich die 193.- Dollar in bar, mit der Aufforderung sie zu zählen. Danke, ciao! Und niemand wollte mehr einen Ton von mir wissen, nicht mal eine Unterschrift für das Geld wurde verlangt. Ich verliess das PanCanal Gebäude nach 5 Uhr und ging endlich etwas zu Mittag essen. Die acht Dollar Stempelgebühr für einen halben Tag Arbeit scheint mir günstig. Die ersten vier Taxis schüttelten nur verständnislos den Kopf und weigerten sich, mich um die Zeit vom El Diablo ins El Carmen zum Hotel zu fahren. Stosszeit. Der fünfte wollte ungeheuerliche $8 (der normale Tarif für eine Stunde!). Die Stadt war jedoch so verstopft, dass es auf seinen Schleichwegen eine Stunde und vierundzwanzig Minuten dauerte.

In einer Telefonkonferenz mit der restlichen Leitung der Seluna beschlossen wir, den Cruising Permit auf der Insel El Porvenir zu lösen, in der Hoffnung, dass Ismael es nicht so genau nimmt mit den Ablaufdaten... Ich fuhr also am nächsten Morgen per 4WD-Taxi zurück nach Guna Yala und erfuhr von einer Französin, dass es den Blauen Zettel nicht brauche für das Crewvisum, stattdessen jedoch die Crewliste von Porvenir. Sie erklärte mir auch ungefähr wo das Migrationsbüro in Panama City sei.

Ein paar Tage später düste ich in zwanzig Minuten mit Brisi nach Porvenir, löste innert weiterer 20 Minuten den neuen Cruising Permit und die offizielle Crewliste ($1 zusätzlich).

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Damit bewaffnet reiste ich erneut nach Panama City und versuchte per Taxi zur Migración Marítima im Stadtteil El Diablo zu fahren. Der Taxifahrer kannte natürlich El Diablo, machte Witze darüber, dass die Behörden da seien, aber hatte keine Ahnung wo die Migración ist. Wir kurvten eine Viertelstunde durch das Quartier, er fragte Passanten und Parkplatzwächter der Autoridad Marítima - niemand kannte die Migración im El Diablo. Einer wollte mich gar wieder zur PanCanal-Behörde schicken. Ich gab auf und sagte dem Taxifahrer, er solle mich bei dem Gourmet Market rauslassen, das sah mir am vielversprechendsten aus. Die Französin hatte mir erklärt, es sei bei einem Imbiss. Arbeiten Behörden nur neben Cafés? Im Laden gefragt wurde mir erklärt, es sei die Türe daneben, im ersten Stock. Ein Büro mit zwei Leuten, dahinter ein Büro mit Chef. Die Leute waren freundlich, schnell und nach 10 Minuten hatte ich zwei unterschriebene Visastempel (à $100.-), gültig für ein Jahr! Tja, der Behördenmarathon ist ein Spaziergang, wenn man genau weiss, zu welchem Beamten man mit welchem Anliegen gehen sollte. Aber wehe, man gelangt an den falschen.
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Die Beschreibung für andere Segler: Wir empfehlen, den Cruising Permit in El Porvenir zu lösen und gleichzeitig eine Crewliste zu verlangen. Mit diesen Papieren und den Pässen (mit Einreisestempel von El Porvenir oder vom Flughafen) zur Migration in El Diablo: Von der Stadt kommend fährt man nordwärts. Kurz vor dem El Rey (rechts), geht es links über die Eisenbahn. Nach 200m geradeaus ist rechts das Gourmet Market (s. Bild). Die Tür rechts davon, durch den Gang und hoch in den ersten Stock: Das Migrationbüro! Hier kann man für $100/Pass ein "Marinerovisum" für ein Jahr erhalten. Wir konnten gar nach einem halben Jahr in Panama unser Touristenvisum um ein weiteres Jahr verlängern.

Letzte Änderung am 26 06 2012 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt