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Logbuch der SY Seluna

Jeder in seinem Tempo

Ja, wir geben's zu, weit sind wir in den letzten zwei Monaten nicht gekommen. Im August schrieben wir von Fernweh und Anfang November sind wir - nach einem Abstecher nach Portobelo zwecks Shopping - nur gerade 30 Seemeilen weiter westlich. Und doch zeigt sich Panama hier für uns von einer ganz anderen Seite. Das erste Mal seit zweieinhalb Jahren sind wir in einer Marina. Und diese hier, die Turtle Cay Marina, ist ein kleines Bijou.
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Das wissen auch die Tiere. Ein Vogel mit gelbem Bauch singt jeden Morgen ihren Namen: "Tör-tel-kii, Tör-tel-kii". Die Marina ist noch in Bau - in gut panamesischer Manier seit nun 15 Jahren. Aber immerhin hat es Stege und an den meisten Plätzen Wasser, zum Teil sogar Strom. Manchmal auch nicht, manchmal aber auch zuviel. Dank Überspannung hat es auf anderen Booten einen Fernseher und einen Laderegler verbrutzelt. Und einmal gab's sogar 110V auf dem Zapfhahn der Tankstelle. Aber normalerweise gibt es ganz normalen Strom - 24 Stunden lang. Das freut auch die Wash-Boys, junge Panamesen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Putzen von Motorbooten verdienen. Eine Woche schrubben und putzen, am Wochenende ein Kurztrip mit dem Schiffseigner nach Guna Yala, wieder zurück, Eigner reist ab und dann nicht etwa weiterschrubben.
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Nein, erst werden die Resten des Essens (und Trinkens?) getilgt und ausgiebig gefeiert. Manchmal kam es ihnen etwas spät in den Sinn, dass eigentlich Feiertag wäre. Und so wachten wir um drei Uhr nachts auf - Latinomusik. Aber richtig laut. Die reinste Disko IN unserem Schiff. Bis sieben Uhr ein Gemisch zwischen lauter Musik, Pause, neuem Stück für ein paar Sekunden, nochmal von Anfang an, ein bisschen Geschrei von einem Segler, der lieber schlafen würde und wieder Musik. Und tagsüber? Natürlich putzt es sich auch besser bei Salsamusik. Mich hat's gefreut, denn auch schleifen geht so leichter von der Hand. Im Übrigen sehen wir uns als Gäste in Panama - fremde Fötzel eben - und bleiben gelassen. Ja, wir sind schon fast ein bisschen traurig, als der letzte von ihnen die Marina richtung Pazifik verlässt.
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Nein, es ist keine Luxusmarina wie die Shelter Pay (geschrieben: Shelter Bay) in Colon. Aber sie hat immerhin WLAN, ein Restaurant und der Gemüsemann kommt jede Woche vorbei. Und sie ist wirklich wunderschön hinter einem felsigen Kap mitten im Grünen gelegen. Kein Dorf weit und breit. Natur pur.
In langen Kleidern, von Kopf bis Fuss mit Deet eingesprüht und mit Feldstecher und Fotoapparat bewaffnet haben wir uns schon ein paar Mal auf Entdeckungsreise gemacht. Der Strand im Osten der Marina fällt bei Ebbe bis hin zu den dunklen Felsen mehr oder weniger trocken. In den Pfützen auf dem Weg hinaus wuselt es nur so vor Leben:
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Krebse, Fischchen und grüne Meeresschnecken. Vor lauter Staunen vergessen wir vollkommen, dass wir die guten Lederschuhe anhaben. Sie füllen sich langsam bis oben mit Meerwasser... Einmal bei den Felsen angekommen, fällt der Meeresboden jäh ab und bunte Fische tummeln sich in den tiefblauen Riffschluchten.
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Im Urwald am Kap vorne gibt es hingegen eine ganz andere Tierwelt zu bestaunen. Weit oben in einer Baumkrone haben wir eine Familie Perückenaffen entdeckt. Sie sehen sehr hübsch aus mit ihrem weissen Dreieck auf dem Kopf. Und sie zwitschern wie Vögel - ehrlich. Ganz anders tönen da die Brüllaffen. Wir haben sie in Portobelo schon oft gehört, aber erst hier bekommen wir sie zu Gesicht.
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Es sind Mantelbrüllaffen. Mit dem Feldstecher konnten wir sie schon vom Frühstückstisch aus beobachten. Und einmal waren wir nur einige Meter von dem Baum entfernt, auf dem sie sassen. Ein Affe beobachtete uns genau und "huh-huh-huh"-te uns an, während die anderen gemütlich herumturnten und Früchte frassen. Gestern dann geriet ich völlig aus dem Häuschen, als ich ein Faultier entdeckte. Und es war ganz und gar nicht faul, sondern kletterte dem Ast entlang, den Stamm hinauf, zweigte ab, hing an den Armen und pendelte
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mit den Beinen auf die andere Seite, griff nach einem Blatt und frass. Und das alles in aller Seelenruhe. Wir schienen es nicht zu stören. Als wir nach unserem Streifzug wieder bei ihm vorbeikamen, hing es kopfüber und kratzte sich ausgiebig das Kinn und den Hals. Den ganzen Weg zurück zum Schiff hüpfte ich und sang: "Ich hab ein Faultier gesehen! Juhui, ein Faultier!" Extra für Menschen mit weniger Zeit gibt es im Übrigen in der Marina Milliarden von Blattschneiderameisen. Ihre Haupt- und Nebenstrassen und teilweise fünfspurigen Autobahnen kann wirklich niemand übersehen. Wer etwas genauer hinsieht, entdeckt auch die Strassenarbeiter-Ameisen. Fast dreimal so gross wie ihre Artgenossen räumen sie Steine und Blätter von den Wegen.
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Vor drei Tagen war unser Steg voller Schiffe - vorallem deutsche, aber auch österreichische und gar ein anderes Schweizer Boot. Bei einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant in ungewohnt grosser Runde, fragte uns jemand, wie man denn nur so lange in Panama bleiben könne. Sie seien am liebsten immer unterwegs und wollen viel, viel sehen. Aber was heisst denn viel sehen? Nein, Würfelquallen und die süssen Leuchtwürmer in Guna Yala, die Brüll- und Perückenaffen, nein, die haben sie nicht gesehen. Dafür aber Kuba und Venezuela und Kolumbien. Das ist das Schöne am Fahrtensegeln: Jeder geht seinen Weg in seiner Geschwindigkeit. Sie sind schon wieder weg und wir bleiben erst mal hier, nähen, lackieren, suchen im Urwald nach Kochbananen und freuen uns über die knallgrünen Papageie und die stolzen Fischadler. Was entdecken wir wohl als nächstes?
Letzte Änderung am 3 11 2012 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt