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Logbuch der SY Seluna

Durch den Panamakanal

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Gleich zweimal in der Altjahrswoche haben wir erlebt, wovon jeder Seefahrer und manche Landratte träumt: Wir fuhren durch den Panamakanal. Am 25. und 26. Dezember halfen wir unseren Freunden von der Aparima als Linehandler und schon drei Tage später, am 29./30., ging's auf eigenem Kiel vom Atlantik in den Pazifik. Idiotensicher nennen einige Segler den Transit, aber ganz so reibungslos läuft es nicht immer. Unsere beiden Passagen hätten jedenfalls kaum unterschiedlicher sein können.
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25.12., 7 Uhr: Der Wecker tut nicht, was er tun sollte: Wir sind schon wach. Wir haben das Gefühl, die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben. Nicht vor Aufregung. Nein. Der Schwell in Portobelo hat unsere Seluna von einer Seite auf die andere gelegt. So sehr, dass wir alles sturmfest anbinden mussten. Die Augen mehr zu als offen packten wir unsere sieben Sachen, stiegen in den Bus nach Colón und ins Dinghy zur Aparima. Zum Glück konnten wir noch etwas dösen, bevor's ernst wurde. Das tat vorallem auch dem vierten Linehandler an Bord, Ramón, sehr gut. Der professionelle Linehandler, sprich: bezahlte, kam an Stelle seines Chefs, der angeblich am 24. zuviel getrunken hatte. Aber ob er wirklich mehr getrunken hatte als Ramón sei mal so dahingestellt. Jedenfalls lag er am ersten Tag meistens rum, übergab sich auch und Kathrin versuchte, ihn mit Tee aufzupäppeln. Aber wir müssen im zugute halten, dass er sich wirklich Mühe gab.
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Und dann, tatsächlich ganz pünktlich um 15 Uhr sprang der Advisor Ricardo vom Pilotenboot auf die Aparima rüber. Ein flotter Kerl, der uns die ganze Schleusenprozedur auf dem einstündigen Weg zur Gatun-Schleuse gut erklärte und all unsere Fragen beantwortete.
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29.12., 15 Uhr: "Cristobal Signal Station, Cristobal Signal Station, this is sailing yacht Seluna." - "Ma'm, go ahead." - "This is sailing yacht Seluna. We are anchored in the flats and are waiting for our advisor." - "Be ready at one-six-one-five." - "Roger. One-six-one-five. Seluna's standing by on channel 12." Wie war das? Am Telefon sagten sie noch, wir sollten um sieben Uhr bereit sein, nicht schon kurz nach vier. Zum Glück waren wir so früh dran!
Und tatsächlich kam unser Advisor George pünktlich um viertel nach vier und wir fuhren los richtung Gatun-Schleusen. George hatte jedoch keinen Plan, mit welchen Segelschiffen wir schleusen würden und behauptete bei jedem Frachter, den wir sahen, dass wir gleich hinter ihm in die Schleuse fahren würden. Oder vielleicht auch nicht. Oder doch. Derweil fummelte er am Mikrofon seines Funkgeräts herum, das einfach nicht funktionieren wollte, und dabei liess er sich durch unsere Fragen auch nicht stören.
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Wer uns jedoch weiterhelfen konnte, war die Panamakanal erfahrene Susan. Es war ihr zehnter Transit und so wusste sie gut Bescheid. Sie erklärte, dass schon unsere Schleusungsnummer 28E angab, dass wir auf der linken Seite in einem Dreier-Päckchen geschleust werden sollten. Dementsprechend verteilten wir also unsere Fender und Leinen.
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25.12., 16.30h: Hinter der Elbella aus Valletta fuhr Tobias in die erste Kammer der Gatun-Schleusen. Kurz vor dem Schleusentor warfen uns die vier Linehandler des Kanals die Leinen mit den Affenfäusten gekonnt zu. Daran befestigten wir unsere dicken Leinen, die die Linehandler dann hochzogen und um die Poller legten. Es klingelte, die Tore gingen zu. Ein letzter Blick auf den Atlantik. Dann strömte das Wasser ein. Die drei Gatun-Schleusen sind direkt aneinander gebaut, sodass man von einer Kammer gleich in die nächste fährt.
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Am Ende waren wir 26 Meter weiter oben und blickten über die drei Schleusentore hinunter bis nach Colón. Was für ein Ausblick! An einer grossen Stahltonne legten wir an, der Advisor verabschiedete sich und wir freuten uns über die sehr angenehm ruhige Schleusung. Aufgeregt sprachen wir über die Ereignisse des Tages. Wie hiess der Linehandler nochmal? Jamón? Nein, Ramón! Und so kam er zu seinem Übernamen Schinggli. Für 7 Uhr früh hatte sich der Advisor für den nächsten Tag angekündigt, also nichts wie ins Bett.
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29.12., gegen 17 Uhr: Tatsächlich wurden wir an der linken Seite eines grossen 56-Fuss-Lagoon-Katamarans festgebunden. Da er so viel länger war als unsere Seluna, übernahm er die Bugleine zur Schleusenwand und wir mussten nur die Heckleine bedienen. Die anderen Linehandler konnten fotografieren, trinken und geniessen. Problemlos steuerte uns der Kat von einer Kammer in die nächste und so kamen
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wir sehr entspannt oben an - unser Advisor nicht nur entspannt sondern auch vollgestopft mit praktisch allen Chips, die wir hatten. Wir fuhren zur Boje und schliefen schon bald nach der leckeren Lasagne tief und fest.
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26.12., 6.30 Uhr: Der Advisor Elvin überraschte Tobias und Kathrin eine halbe Stunde zu früh und liess ablegen. Verschlafen krochen wir aus den Betten, als Tobias schon längst unterwegs war. Es ging knapp 30 Seemeilen über den künstlich angelegten Gatun-See. Der Wind blies achterlich und Tobias durfte die Genua setzen. Unterwegs überholte uns dann "unser" Frachter Chios Legacy, mit dem wir eigentlich hätten geschleust werden sollen.
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Nur wenige Meter weiter war eine Engstelle und er wurde von einem Schlepper zurückgezogen, damit der entgegenkommende Frachter an ihm vorbeikam. Was sollte das denn? Elvin erklärte uns, dass die Frachter einen Bonus bekämen, wenn sie schneller als geplant seien. Aber wie kann man dann überhaupt noch irgendwas planen?
Wir fuhren an der Chios Legacy vorbei, doch kurz darauf überholte sie uns wieder. Pünktlich kamen wir bei der Pedro-Miguel-Schleuse an. Doch es half nichts. Wir hätten bei der Abwärtsschleusung vor dem Frachter sein müssen, was aber nun nicht mehr möglich war.
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Elvin liess uns seitlich an der Mole am Schleuseneingang festmachen. Doch die Helfer vom Kanal, die unsere Leinen hätten entgegennehmen sollen, wurden durch die Arbeit einer Schleusenlokomotive daran gehindert. Uns selbst wurde es nicht erlaubt, auch nur einen Fuss an Land zu setzen. Also nochmal von der Wand wegfahren. Doch dabei drückte uns die vom nächsten Frachter verursachte Strömung an die Wand. Ich versuchte noch rechtzeitig einen Fender dazwischen zu hängen. Doch der einzige Fender in meiner Reichweite hatte unser professioneller Linehandler festgeknotet.
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Und zwar so professionell, dass an ein Lösen innert nützlicher Frist nicht zu denken war... Das Ergebnis: viel Aufregung und ein Kratzer am Heck. Sehr ärgerlich.
Raus aus der Engstelle, dem nächsten Frachter Platz machen, ein paar Kreischen drehen, dann endlich wieder ein handfester Plan vom Advisor: Wir machten an einem Schwimmsteg fest, assen zu Mittag und warteten auf einen Frachter ohne Gefahrengut, vor dem wir in der Schleuse Platz haben. Elvin meinte, es ginge um 15 Uhr weiter. Genug Zeit also auch noch für eine Siesta.
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30.12., kurz vor 7 Uhr: Carlos, unser neuer Advisor, kam an und liess gleich ablegen. Alle sechs Segelboote, die schon gestern zusammen geschleust wurden, fuhren über den See, immer schön den roten Tonnen entlang. Carlos gab unseren Schleusungstermin mit 11 Uhr an. Aber wie sollten wir die 30 Seemeilen in nur vier Stunden schaffen? Wir hatten angegeben, dass wir 5 bis maximal 6 Knoten Fahrt machen würden. Das ging doch einfach nicht auf...
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Doch auch uns wurde es erlaubt, die Genua zu setzen, um ein bisschen schneller zu sein. Der böige Wind drehte dauernd und wir versuchten daraus das Bestmögliche zu machen. Am Ende waren wir nur eine halbe Stunde zu spät.
26.12., noch beim Mittagessen: Elvin sagte, wir sollten ablegen, es gehe jetzt gleich los. Also wieder Planänderung. Wir räumten die Schüsseln und den Rest von der feinen Paella hinunter. Dann ging ich zum Bug, um die Leinen zu klarieren. Doch was war das? Die Leinen waren schon los?!? Und der Motor war noch nicht einmal an! Es war nicht zu übersehen, dass unser Schinggli möglichst schnell nach Hause wollte...
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Und so wieder rein in die Schleuse. Elvin meinte, wir würden direkt an der Wand, also mit nur zwei Leinen geschleust. Doch Tobias wehrte sich heftig. Und zu recht. Eine Schleusung direkt an der Wand kann schon bei der Kanalanmeldung ausgeschlossen werden, da sie bei Turbulenzen für den Mast gefährlich werden kann. Also übergaben wir alle vier Leinen an die Linehandler des Kanals. Derweil wurde der Frachter hinter uns im Schleuseneingang von zwei Schleppern an die Wand gedrückt. Mit bis zu 650'000 Newton (also 65 Tonnen) können sie schieben. Stellt Euch vor, welche Strömung dabei entsteht. Gleichzeitig fuhr der Frachter vorwärts, der mit seinen ca. 10 Metern Tiefgang eine beträchtliche Menge Wasser vor sich herschiebt. Noch mehr Strömung!
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Und im letzten Moment bevor wir fest sind, drückt sich ein Schlepper am Frachter vorbei und wirft die ganze Planung über den Haufen: Wir sollten nun längsseits an den Schlepper gehen. Die vier Leinen wieder los, warten, bis der Schlepper vorbeigefahren und an der Wand fest ist. Mit all der Strömung war aber an warten nicht wirklich zu denken. Und selbst im Rückwärtsgang fuhren wir ziemlich schnell vorwärts und wurden hin und her gedrückt. Tobias war am Steuer mehr als gefordert. Und wir rannten mit den Fendern von der einen zur anderen Seite, machten die Leinen klar und endlich reduzierte der Schlepper seine Tourenzahl. Die Bugleine war fest, aber Ramón warf die Heckleine gleich zweimal zu kurz - und so kam schon wieder Hektik auf. Dann endlich waren wir fest. Uff. Geschafft.
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30.12., 11.30 Uhr: Wir banden unsere Seluna längs an ein anderes Segelschiff und fuhren hinter den anderen vier Segelbooten in die Pedro-Miguel-Schleuse ein. Ganz ohne Frachter und somit auch praktisch ohne Strömung wurden wir sechs Segelboote gemeinsam hinunter geschleust. Nach der Pedro-Miguel-Schleuse trennten sich die Päckchen wieder und wurden vor der Doppelschleuse Miraflores neu zusammengesetzt.
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Begründung: So bräuchte es vier Kanal-Linehandler weniger. Na egal, uns sollte es recht sein. Wir waren wieder links vom grossen Kat mit der coolen Crew. Der Skipper sehr fähig, die Leinenjungs arbeitsscheu und die beiden Gäste gelangweilt. Alles ging problemlos.
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26.12. mitten am Nachmittag: Den kurzen Weg von der Pedro-Miguel-Schleuse zur Miraflores-Schleuse fuhr Aparima vor dem Frachter her. Und auch hier wieder wurden wir längs am Schlepper geschleust. Doch da die Motoren des Schleppers so stark sind, kann man nicht längsseits an ihm fest bleiben, wenn man in die nächste Kammer fährt. Also durften wir nochmal üben mit schon mal vorfahren, warten bis der Schlepper überholt hat und dann wieder festmachen. Die Strömung war enorm. Und wenn andere Segler sagen, abwärts schleusen sei so einfach, dann liegt das wohl daran, dass sie schon fest sind, wenn der Frachter hinter ihnen in die Schleuse einfährt.
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Alles in allem war der ganze Tag wirklich ziemlich hektisch und der Advisor forderte uns sehr mit seinem Hin und Her. Die ganze Kanalorganisation erschien uns chaotisch.
Als Aparima unter der Bridge of the Americas in den Pazifik einfuhr, hatte ich gemischte Gefühle. Ich freute mich sehr mit ihnen und gleichzeitig dachte ich wehmütig daran, dass wir nochmals zurück nach Portobelo mussten und noch ein paar Tage voller Hektik vor uns hatten, bis wir endlich auch im Pazifik sein würden. Am nächsten Morgen fuhren wir ganz früh los, schummelten uns in den Busbahnhof, für den man eigentlich eine Karte braucht, und kauften unterwegs in Sabanitas noch genügend Essen und Snacks für unsere Leinenhelfer ein. Mit vollen Taschen über den Schultern und Ringen unter den Augen liessen wir uns auf unsere Seluna bringen. Es hiess lüften, was knabbern und gleich nach Colón segeln. Der Wind blies für einmal aus der richtigen Richtung und wir düsten nur so dahin. Für den nächsten Tag war vorkochen und umräumen angesagt und schon tagsdarauf sollte es durch den Kanal gehen!
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30.12., gegen 14 Uhr: Viele Touristen säumten die Besucherterrassen der Miraflores-Schleusen, als sich die letzten Schleusentore für uns öffneten. Mein Herz machte einen Sprung. Der Pazifik! Ein ganzer neuer Ozean liegt vor uns! Was für ein Seglerglück!
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Carlos schlang sein Gulasch in Rekordtempo hinunter, wurde vom Pilotenboot abgeholt und für uns ging's weiter. Ein kurzer Zwischenstopp am Balboa Yacht Club, um die gemieteten Leinen und Autoreifen abzugeben und dann weiter zu unserem ersten Ankerplatz im Pazifik: La Playita. Anker runter und hopp, rein ins Wasser!
Tipps zur Organisation des Kanaltransits haben wir hier zusammengefasst.
Letzte Änderung am 5 01 2013 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt