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Logbuch der SY Seluna

Die grosse Überfahrt: Isla del Coco, Costa Rica, bis Fatu Hiva, Marquesas

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Nach der Atlantiküberquerung waren wir uns nicht so ganz sicher, ob wir wirklich Lust hatten auf noch so eine lange Passage. Die kurzen liegen uns einfach besser. Und am liebsten liegen wir sowieso irgendwo vor Anker. Aber in all den Büchern und Berichten von anderen Seglern liest man von dieser Passage nur Gutes. Von langgezogenen Wellen von hinten, verlässlichem Passatwind und Fisch ohne Ende ist da die Rede. Wir hören so viel Schönes von dieser Reise, dass wir uns schon fast darauf freuen. Und das ist auch gut so, sonst hätten wir's ja vielleicht gar nicht gewagt. Aber ich bin nun mal Realist und darum hole ich Euch jetzt mal auf den Teppich runter: Die Wellen? Steil und kurz. Vier Wochen lang! Es gab alles zwischen einem bis vielleicht fünf Metern. Und es erinnerte sehr ans Mittelmeer. Nicht einmal hatten wir so schönen grossen Schiebeschwell wie auf dem Atlantik. Viele, viele Tage hatten wir dazu noch eine Querwelle. Manchmal nur alle 15 Minuten mal eine, sprich immer dann, wenn man gerade eingeschlafen ist. Also so toll war das nicht. Der Wind, ja, der war da. Eigentlich immer.
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Nur nach der Äquatorüberquerung (ja, unsere erste Äquatorüberquerung!!!) mussten wir noch ein paar Stunden den Motor zur Hilfe nehmen. Zwei Grad weiter südlich kam dann der versprochene Passatwind und er hielt an. Und das Fischen? Nun ja, das sind definitiv Ammenmärchen. Jeder, den wir gefragt haben, hat hier ganz einfach nichts gefangen. Wir holten unseren ersten Fisch an Tag 26 (!!!) an Bord: immerhin ein Mahimahi, der uns vier Mal zu essen gab. Ansonsten? Keine Fische, ausser den fliegenden Fischen, keine Delfine, abgesehen von jenen, die wir beim Passieren von Galapagos gesehen haben. Eine Haiflosse habe ich entdeckt. Aber keinen Wal. Vögel ja. Ab und zu. Eine Möwe blieb gleich einen ganzen Tag auf unseren Solarzellen. War ja süss anzuschauen, aber danach war auch eine Menge zu schrubben...
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Dafür hatten wir was zu feiern: unsere 10'000ste mit Seluna gesegelte Seemeile! Aber da auch diese Feier irgendwann zu Ende war: Was macht man so einen ganzen Monat lang auf hoher See? Leo schaute sich jede Menge Filme an, ich vertrieb mir die Zeit lieber mit den magenverträglicheren Hörbüchern. Apropos Magen: Den hält man mit den Bauchmuskeln fest, damit er nicht so hin- und herschwappt. Eine gute Strategie gegen Seekrankheit, dafür melden sich nach ein paar Tagen die überstrapazierten Bauchmuskeln... Schlafen ist gut. Vorallem, wenn man denn mal kann. Ein paar Tage schaukelte es ziemlich, so dass es dann irgendwann einmal zu dem Tag kam, den ich zu zwei Dritteln verschlafen habe. Wir entwickelten beide unsere eigene Strategie, wo welches Kissen wie gefaltet auf dem Bett zu liegen hat, damit man einigermassen schlafen kann. Wir hörten Musik, übten uns in japanisch, stellten uns vor, was wir in der Südsee so alles machen würden, sprachen über Zukunftsträume und so rieselt die Zeit so vor sich hin.
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Langeweile, nein, die kennen wir nicht. Nicht seitdem wir gelesen haben, Langeweile sei ein Zustand geistiger Armut. Doch irgendwann fängt man an die Tage zu zählen, die es vielleicht noch dauern würde. Trügerische Sache, denn der Wind dreht vor den Marquesas immer mehr auf Ost und wird dazu immer schwächer. Wir packen unseren Spi aus, Tag für Tag. Es ist die reinste Freude, wie wir bei 8 Knoten Wind 5 Knoten Fahrt machen! Und erst noch in die richtige Richtung. Abends haben wir ihn allerdings immer geborgen, da fast jede Nacht wieder Fronten mit wechselnden Winden über uns hinwegzogen. Zum Glück zieht unsere Genua genügend, dass wir auch bei wenig Wind nicht stehen bleiben. Andere Schiffe beklagen sich über das Geschaukle nachts oder aber dann über gerissene Spinnaker. Wir bleiben von beidem verschont. Überhaupt haben wir keine Schäden am Schiff zu verzeichnen und auch die Crew ist abgesehen von ein paar blauen Flecken und Leos überlangen Haaren eigentlich in normalem Zustand. Oh, und was waren wir froh über all das leckere Gulasch, das Leo in Panama und Costa Rica eingekocht hatte.
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Ja, 28 Tage haben wir gebraucht für die 3'500 Seemeilen bis zu den Marquesas. 28 Tage, nicht eine Nacht durchschlafen. Unsere Wacheinteilung hat sich für uns gut bewährt. Nach dem Abendessen fängt die erste Wache an. Dann wird alle drei Stunden gewechselt. Die letzte Übergabe ist noch vor Sonnenaufgang, so dass die Freiwache noch gut einschlafen kann. Und sie darf dann auch so lange liegenbleiben, wie sie mag. Aber meist sind es dann doch nur drei bis vier Stunden. Denn man gewöhnt sich ganz einfach an diesen Rhythmus. Wir halten immer Ausschau und alle 15 bis 30 Minuten machen wir einen Rundumblick, um nebst einem Wetterumschwung auch ja kein Schiff zu verpassen. Aber es war nicht leicht, diese Disziplin aufrecht zu erhalten. Denn auf dieser Strecke gibt's einfach keine Schiffe. Ein paar Fischer bei Galapagos und ein Frachter gleich danach, dann 10 Tage später zwei kleine Frachter, und eine Woche vor Ankunft haben wir noch ein Segelboot gesehen. Das war's. Und so sehe ich mir nachts die Sterne an, staune über all die Lichtererscheinungen, die ich mir nicht so recht erklären kann und schicke bei jeder Sternschnuppe einen Wunsch in den Himmel.
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Und dann kommt es immer näher: Noch zehn Tage, noch zehn Tage, noch immer zehn Tage... Noch eine Woche. Und dann geht's plötzlich schneller: Noch drei, noch zwei, noch einen Tag. Wir sind nur noch 12 Seemeilen von Fatu Hiva entfernt und können sie noch immer nicht sehen. Ob die Karten wirklich stimmen? Doch dann geht die Sonne auf.
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Ich sitze auf dem Cockpitrand, ein "Wow" auf meinen Lippen. Was für ein Anblick! Und endlich sehen wir auch wieder Delfine, die vergnügt mit unserer Seluna spielen. Eine Stunde lang. Wir fahren in die Bucht ein, werfen vor allen anderen den Anker - denn dort ist die Aussicht am schönsten und die Wellen am kleinsten. Ankommen. Durchatmen.
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Essen. Ein bisschen schlafen. Nein, so müde sind wir noch nicht einmal. Was für ein Ankommen. Nach 28 Tagen nur blau sind wir mitten im Grünen und in den Felsen. Hanavave. Viele sagen, sie sei die schönste Ankerbucht auf der Welt. Ein Bijou. Darum also lohnt sich eine solche Überfahrt. Um hier zu sein und das hier zu sehen. Und um es nach einer so langen Anreise einfach noch mehr zu schätzen. Darum.
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Letzte Änderung am 4 06 2013 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt