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Logbuch der SY Seluna

Raus aus der Grossstadt

Ka'oha (Guten Tag.) Fast jeden Tag hören wir an unserem Ankerplatz in Taiohae, Nuku Hiva, Radio FM2 Marquise. Der Klang der marquisischen Sprache ist so schön und so fremd für uns. Sie besteht aus vielen Vokalen, die einzeln ausgesprochen werden (das gilt im Übrigen auch für tahitianisch). Die Hauptstadt der Marquesas heisst also Ta-i-o-ha-e. In der Schule lernen die Kinder nebst tahitianisch auch französisch, wobei sie das "R" rollen, was der Sprache einen ganz anderen Klang gibt.
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Die Frauen tragen Blüten hinter dem Ohr. Links oder rechts, je nach dem, ob sie vergeben oder noch zu haben sind. Allerdings sind sie sich nicht so ganz einig, welche Seite wofür steht. Das hat dann wohl die Bankangestellte dazu veranlasst, gleich beide Seiten zu schmücken. Bei ihr wollten wir gerne die grossen 10'000er Banknoten (entspricht 100-Frankennoten) aus dem Automat kleiner wechseln lassen. Sie lacht über das ganze Gesicht, zieht aus der Schublade neben sich einen riesen Bündel von diesen 10'000er Noten, wedelt damit vor uns herum und meint: "Das ist alles was ich habe."
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Und so fahren wir eben mit 10'000ern im Portemonnaie aus der Bucht, einmal nach links rum, schön gegen die zwei-Meter-Wellen an. Nach drei Stunden haben wir Schlagrahm im Kühlschrank und die sieben Meilen nach Hooumi (Ho-o-u-mi) geschafftt. Der gleichnamige Ort ist ein richtig kleines Dörfchen mit einer ganz besonderen Open-Air-Kirche. Der Altar und eine Marienstatue sind in einen vielleicht 15 Meter hohen Lavafelsen gehauen. Davor ist ein Rasen mit einem grossen Mangobaum.
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Kaum sind wir auf der Strasse zum nächsten Dorf namens Taipivai, hält auch schon ein Auto und nimmt uns mit. Fussgängerstopp, das ist hier vollkommen normal. Wir unterhalten uns wunderbar mit dem Fahrer. Er meint, er habe früher in Taiohae (ca. 1'700 Einwohner) gewohnt, aber dort sei es so furchtbar dreckig und laut. Und der Verkehr! Also sei er nach der Pensionierung wieder ins 100-Seelen-Dorf Hooumi gezogen. Auch in Paris war er einmal. Ihr könnt Euch vorstellen, wie es ihm dort gefallen hat...
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In Taipivai ist der grosse Festplatz vom letzten Marquesas-Festival nicht zu übersehen. Die grosse Bühne aus Steinen ist geschmückt mit alten und modernen Tikis und wunderschön geschnitzten Säulen. Von jeder Marquesas-Insel eine. Jedes Jahr findet dieses Fest statt, immer an einem anderen Ort. Zur Feier des Anlasses werden antike Stätten renoviert und alte Tänze aufgeführt. Die alte Kultur wird wiederentdeckt. Aber mehr dazu dann in einem anderen Log.
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Zwei weitere Yachten kommen nach Hooumi und wir flüchten in eine ruhige Bucht... Nein, wegen der Wellen, nicht wegen der Segelboote. Wir suchen vergeblich einen im Führer beschriebenen Wanderweg, finden nur Geissenpfade, die uns unter riesengrossen Banyan-Bäumen durch in die Irre führen. Diese Bäume haben keinen Stamm, sondern nur Wurzeln. Und sie wachsen immer weiter. Bäume mitten im Wald mit einem Durchmesser von 10 bis 15 Metern sind keine Seltenheit! Leo geht mit der Machete bewaffnet voran und sorgt dafür, dass wir nicht zu sehr verkratzt werden. Unterdessen wissen wir aus Erfahrung, dass die meisten Pflanzen hier Stacheln oder zumindest sehr scharfe Blätter haben. Und dank den zerschnittenen Ästen finden wir den Weg auch wieder zurück.
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Unser nächster Stopp ist Anaho. Die Bücher sprechen von der am besten geschützten Bucht der Marquesas. Und da hier eigentlich alle Buchten etwas rollig sind, ist das wirklich ein Grund, dorthin zu segeln. Die Ostküste und das nordöstliche Kap sind felsig steil und einfach wunderschön anzuschauen. Schwarz- und Rottöne, dazwischen fast weisse kleine Büsche, grünes Gras, im Norden auch ein paar weisse Sandstrände mit Kokospalmen dazwischen. Im Hintergrund ragen hohe Berge auf, auch einzelne spitze Felsnadeln. Traumhaft schön. Anaho selbst ist erstaunlich leer. Wir hatten mit 20 Yachten oder so gerechnet, aber wir sind nur zu viert. Wir suchen uns einen ruhigen Platz mit Sandgrund und geniessen bei einem Sundowner auf dem Vorschiff das Panorama.
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Der kleine Ort Anaho mit vielleicht zehn Häusern und natürlich einer Kirche ist, nennen wir es einmal eher abgelegen. Ein Pferdepfad über einen Pass führt zum Nachbarort Hatiheu, wo es immerhin zwei kleine Läden, eine Post und eine Strasse zum Hauptort Taiohae gibt. Die stündige Wanderung nach Hatiheu unternehmen wir gleich ein paar Mal. Nicht nur wegen der Baguettes. Nein, der Weg an und für sich ist es wert. Nicht zu steil ansteigend, so dass man auch bei Regen und Matsch nicht zu sehr rutscht, führt er durch einen Mangowald. Und die Mangos sind reif! Unter einem Baum finden wir ein Pferd, das sich von seinem Pflock losgerissen hat und genüsslich eine Mango nach der anderen verspeist. Mit einem langen Stock holt Leo die gelb-roten Früchten vom Baum und ich versuche sie mit unserem Fischkäscher aufzufangen. Andere sammeln Fallobst, aber leider werden diese Früchte wegen der Druckstellen sehr oft faul, bevor sie richtig reif sind. Wir probieren uns durch so manche Mangosorte, die spitzen, die fast runden, die rötlichen und die gelben. Alle sind sie verschieden in Geschmack und Konsistenz. Nach so einem Pflückausflug entdecke ich am Abend ein bisschen Harz auf meinem Oberarm. Am nächsten Tag haben sich grosse, dunkle, gefüllte Blasen an der Stelle gebildet, mir ist schlecht, ich habe Durchfall, dann Fieber, starke Kopfschmerzen. Nach vier Tagen ist der Spuk vorbei. Dann kam's Nesselfieber. Niemand konnte uns bisher sagen, welche Pflanze diese Vergiftung ausgelöst hat. Die Tropen überraschen immer wieder.
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Von Anaho aus führt ein weiterer Pfad zur Gemüse- und Obstfarm in der nächsten Bucht. Schon allein beim Anblick läuft uns das Wasser im Mund zusammen! Wir können unser Gemüse selbst ernten, bekommen Melonen zum Probieren. Wir haben uns schon auf dem Markt in Taiohae gewundert, dass fast nur grüne Tomaten verkauft werden. Der Grund wird uns hier klar: alle reifen Früchte sind schon an- oder eher aufgefressen. Die Patronin erzählt uns von den Schwierigkeiten beim Anbau. Manchmal helfen sie auch mit Insektiziden nach. Wir bleiben zweieinhalb Wochen in Anaho. Jeden Tag sehen wir Schildkröten ein paar Mal Luft holen und wieder abtauchen. An manchen Tagen ist die Bucht voller Mantarochen - wir schätzen um die 20 -, die man von oben gut sehen kann. Aber im Wasser ist die Sichtweite nur um die zwei Meter und so erschrecken Leo und die Mantas gleichermassen, wenn sie sich dann plötzlich entdecken...
Bald wieder mehr von uns. Nana (Tschüss).
Letzte Änderung am 26 07 2013 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt