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Logbuch der SY Seluna

Heiva i Tahiti - 5 Tage Südseetraum

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Ein freundlicher Mitpassagier bringt uns ins Le Meridien. Was für ein Hotel! Gemütliche Sitzmöglichkeiten in der Lobby, ein Kaffee an einem Fischteich, ein riesiger Süsswasserpool mit Sandboden und Meeresblick und im Zimmer ein Bad, das sich so gross anfühlt wie unser ganzes Schiff. Wir geniessen Sushi aus dem Supermarkt auf unserem Sitzplatz und sehen noch die Atolle vor unseren Augen, die wir heute durch die Wolkendecke hindurch bestaunt haben. Ja, tatsächlich, wir sind in den Ferien. Wir sind in Papeete.
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Jeden Sommer ist Polynesien einen Monat lang in Festtagsstimmung. Heivas werden auf vielen Inseln gefeiert. Aber DAS Heiva ist das Heiva i Tahiti. Schon seit vier Uhr Nachmittags warten wir auf einen Bus, der uns zum Festgelände bringt. Um halb fünf soll der letzte fahren. Aber auch eine Stunde später ist noch keiner da. Doch plötzlich hält ein Wagen. Wir plaudern mit Maurice. Er war früher Tänzer in einer der grossen Tanzgruppen Tahitis und ging mit ihnen ein Jahr lang auf Welttournee. Heute arbeitet er am artistischen Konservatorium. Für den Wettkampf sind wir noch zu früh dran, also nimmt Maurice uns kurzerhand mit zu sich nach Hause. Wir lernen seinen Enkel kennen. Die Schwiegertochter ist gerade dabei, eines ihrer Kostüme zu nähen. Später fährt er uns zur To'ata, hält unterwegs noch bei einem Kiosk an, schenkt uns zwei Flaschen Wasser für den langen Abend und betont immer wieder, wir sollen uns unbedingt bei ihm melden, wenn wir mit dem Schiff in Papeete sind. Er habe grosse Pflanzungen, die er uns zeigen will. Viel zu viele Bananen. Er wolle uns welche schenken. Und uns durchs Konservatorium führen. Und falls uns am Abend niemand zurück zum Hotel mitnimmt - wir sollen ihn anrufen. Er fahre uns, auch wenn es schon Mitternacht sei. So viel Herzlichkeit, es war überwältigend. Mir sind fast die Tränen gekommen. Es ist eine wahre Freude, in diesem Land sein zu dürfen!
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Es geht los! Wir sitzen auf der Tribüne, die Perkussionisten geben schon den Takt an und dann betreten sie die Bühne von beiden Seiten. Was wir an diesem Abend erleben, ist schwer in Worte zu fassen. Wir sehen zwei grosse Tanzgruppen mit einem Programm von je einer Stunde und drei Chöre, die allesamt im Wettstreit in verschiedensten Disziplinen antreten. Das Heiva i Tahiti zieht uns in seinen Bann. Mal sind die Klänge romantisch und fein. Die Bewegungen der bis zu 200 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne sind fliessend, anmutig, verführend. Die langen Röcke unterstreichen die Bewegungen. Der Kopfschmuck ist imposant. Alles aus natürlichen Materialien, alles Handarbeit und jedes einzelne Kostüm in Details ein bisschen anders als die anderen. Die Tänzer strahlen eine solche Freude aus, bei dem, was sie tun - es ist mitreissend. Dann wird der Rhythmus schneller, die Röcke kürzer, die Hüften schwingen in einem Tempo, dass einem schwindlig wird vom Zusehen.
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Aber die Oberkörper bleiben ganz ruhig dabei. Die Männer bewegen in der Hocke die Knie schnell auseinander und wieder zusammen. Plötzlich stehen sie alle in einer Reihe, dann wieder im Kreis, in Paaren - die verschiedensten Choreographien dürfen wir bewundern. In ihrem Programm wechseln die Tänzer vier Mal ihr Kostüm. Auffallend ist auch, dass in allen Tanzgruppen sowohl schlanke wie auch ziemlich dicke Tänzerinnen dabei sind. Fit sind sie allesamt und die korpulenten stehen den anderen in nichts nach. Der beste Tänzer und die beste Tänzerin einer Gruppe, wie auch das Orchester treten zwischendurch allein an.
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Der ganze Auftritt einer Gruppe wird in eine Rahmengeschichte gepackt, eine Legende wird erzählt. Requisiten helfen uns zu verstehen, um was es geht. Nach dem Schlussbouquet kommt der Auftritt eines Chores. Bis zu 80 Sängerinnen und Sänger sitzen im Halbkreis auf dem Boden und vermischen ihre Stimmen. Der Klangboden wird von einem kehligen Hum-Hi-Hi gelegt. Darüber für uns neue, sehr harmonische Klänge. Dynamisches, Rhythmisches, Ruhiges und Lautes wechselt einander ab. Ich schliesse die Augen und empfinde tiefes Glück.
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Zwei volle Abende lang bis spät nach Mitternacht tauchen wir ein in eine andere Welt. Wir sind begeistert und strahlen in Erinnerung an diese schönen Stunden sofort wieder über das ganze Gesicht, wenn wir jemandem davon erzählen.
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Aber das Heiva ist nicht nur ein Fest des Tanzes und der Musik, auch Kunsthandwerker und Sportler der Inseln Französisch Polynesiens treten gegeneinander an. Zwei Tage verbringen wir im Garten des Kulturmuseums, das glücklicherweise in Fussdistanz von unserem Hotel ist. Die Sportler treten an in vier verschiedenen Disziplinen: Das Steineheben hat seinen Ursprung in den Australinseln. Ein Stein wird möglichst schnell auf die Schulter gehoben und dort einhändig und stabil gehalten. Wie staunen wir, als ein schlankes Teenager-Mädchen antritt und es tatsächlich schafft, einen 60kg-Stein zu heben! Die stärksten Männer stemmen 160kg in nur drei Sekunden auf die Schulter! Schon vom Zusehen tun uns die Rücken weh...
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Am beliebtesten ist das Speerwerfen. Männer, Frauen und Kinder treten an mit 10 selbstgeschnitzten Speeren mit einer scharfen Spitze aus einem Armierungseisen. Gleichzeitig werfend versuchen sie eine Kokosnuss zu treffen, die 10 Meter hoch aufgespiesst auf einem Pfahl und etwa 22 Meter von der Wurflinie entfernt ist (bei den Jüngeren sind's "nur" 6 Meter Höhe). Der Trick ist, den dünnen Speer vor dem Abwurf in Schwingung zu bringen, um so seine Flugbahn stabil zu halten.
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Dann wird er mit gestrecktem Arm von neben der Hüfte nach oben geworfen. Je weiter oben in der Nuss der Speer stecken bleibt, desto mehr Punkte gibt's. Die ganzen zwei Tage waren sie immer am Werfen, über viele Runden. Dann lockt uns lautes Klatschen und Anfeuern weiter: Die Wettkämpfe in der Kopra-Herstellung wurden von den meist einheimischen Zuschauern am lautesten beklatscht. Im Einzelwettkampf treten die besten der jeweiligen Inseln an: 15 Männer zerhacken mit einem messerscharfen Beil 115 Kokosnüsse, setzen sich dann auf einen Holzschemel und lösen mit einem gebogenen Messer das Innere der Nüsse heraus. Am Ende werden diese Kokosstücke in Säcke abgefüllt, die leeren Schalen auf einen Haufen zusammengetragen und erst dann wird die Zeit gestoppt. In den letzten Minuten gibt es für die Zuschauer kein Halten mehr: Es wird laut angefeuert, geklatsch, zugerufen. Die Schnellsten schaffen es in unglaublichen 18 Minuten. 115 Nüsse in 18 Minuten!
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Gleich nachdem die letzten Nüsse im Sack verschwinden und ein paar Zuschauer genüsslich Kokosnuss kauen beginnt der nächste Wettkampf: Kokosnusspalmen-Klettern. Die meisten binden erst ihre Füsse mit einem Seil zusammen und springen dann den Baum hinauf. Ein paar Wenige machen es ohne das Seil, was schwieriger aussieht und sicherlich mehr Kraft braucht. Schnell sind sie alle so oder so.
Als Unterhaltung in der Mittagspause treten Tanzgruppen von den Marquesas und den Australinseln auf. Wir sitzen in der ersten Reihe. Die Marquesianer begrüssen die Zuschauer mit einem lauten Ka'oha Nui. Aber mit uns rufen nur wenige ein Ka'oha zurück. Marquisisch sprechen hier nicht viele. Und auf tahitianisch grüsst man mit Iaorana, was sich doch ganz anders anhört. Als die wilden, schweren Marquesianer auf uns zu tanzen und dabei laut schreien, werden wir schon etwas nervös. Beeindruckend. Solche Männer hab ich noch nie gesehen: gross, stark, massig, aber nicht dick, tätowiert und mit Halsketten aus grossen Wildschweinzähnen geschmückt.
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Ihr seht, es fällt uns leicht, unseren Kurzurlaub in Papeete in vollen Zügen zu geniessen. Wegen der praktisch fehlenden Busverbindungen zwischen Hotel und Stadt machen wir viele sehr nette Autostopp-Bekanntschaften. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen hier ist so umwerfend, dass wir uns fast schon zu wohlfühlen, wenn Ihr versteht, was wir meinen.
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Nach fünf Tagen fliegen wir wieder zurück und freuen uns schon darauf, dass wir in ein paar Monaten mit unserer Seluna zu den neuen Freunden zurückkehren. Noch einmal können wir von oben einen Blick auf die Tuamotus erhaschen. Zurück in Taiohae, Nuku Hiva, verfolgen wir gespannt die Preisverleihung des Heiva i Tahiti am Radio. Preise für die beste Geschichte, das beste costume végétal, das umwerfendste grand costume, die beste Tanzgruppe, das beste Orchester, sowohl traditionelle Rhythmen wie auch innovativstes Orchester.
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Auch die Chöre treten in verschiedenen Liederkategorien an und kämpfen um das schönste Kostüm. Der Eklat des Abends aber: Die Preise für die beste Einzeltänzerin wie auch besten Einzeltänzer werden dieses Jahr nicht verliehen. Die Jury hat einstimmig beschlossen, das Niveau sei zu tief gewesen. Wir können es kaum fassen, aber natürlich haben wir keinen Vergleich zu anderen Jahren. Eine mutige und vielleicht auch wichtige Entscheidung. Das ist etwas, was wir an den Polynesiern sehr schätzen: sie meinen, was sie sagen.
Letzte Änderung am 27 07 2013 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt