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Logbuch der SY Seluna

Taioa, Kua und Teiki

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Der Juli neigt sich dem Ende zu und mit ihm auch das diesjährige Heiva. Am letzten Abend gehen wir mit französischen und deutschen Segelfreunden ans Fest in Taiohae und geniessen die beste Tanzaufführung marquisischer Tänze, die wir bisher gesehen haben. Noch einmal erleben wir den Schweine- und den Vogeltanz, diesmal aber so ausgezeichnet interpretiert und getanzt, dass es eine wahre Sinnesfreude ist.
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Noch mit diesen Bildern vor Augen segeln wir zu unserem letzten Stopp auf Nuku Hiva. Hakatea im Südwesten der Insel ist eine Bucht, von der aus man's offene Meer gar nicht sieht. Gut geschützt wie sie ist, trägt sie zusammen mit der Nachbarbucht auch den passenden Namen Taioa (= jemand, der etwas Schlechtem entrinnen konnte).
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Am Ende der Bucht ist ein kleiner, aber sehr steiler Sandstrand. Abends ist er voll mit Kühen. Aber nicht so wiederkäuend auf dem Bauch liegend, sondern hin- und herspringend. So aktive Kühe haben wir überhaupt noch nie gesehen.
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An einem schön sonnigen Tag fahren wir mit dem Dinghy nach Hakaui, dem anderen Seitenarm von Taioa. Dort geht's ein Stück weit den Fluss hinauf und weiter zu Fuss zum Wasserfall Vaipo, einer der höchsten der Welt. Der Weg führt uns durch die Pflanzungen der kleinen Siedlung und dann steht die erste von unzähligen Flussüberquerungen an. Die Steinmannli scheinen an einer ungünstigen Stelle zu stehen. Der Fluss zieht ziemlich stark. Wir überqueren ihn weiter oben und können uns an einem über den Fluss gestürzten Baum festhalten. Dafür stehen wir bis Mitte Oberschenkel im Wasser. Hätten wir mal lieber den Steinmannli vertraut, sie hatten schon recht...
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Weiter geht's. Ein alter Weg mit Zeichen von alten Siedlungen überall. Moskitos noch überaller. Also bloss nicht stehenbleiben! Dann der erste Blick auf den Wasserfall. Er scheint zu oberst vom Bergrücken aus einfach so hinunterzufallen. Wie aus dem Nichts. Wahnsinn. 350 Meter nach unten, wobei man allerdings nicht die ganze Höhe sehen kann. Dann kommen wir näher. Das Tal wird enger, auf beiden Seiten gehen die Felswände senkrecht hinauf. Mitten unten im Tal ist es kitschig-knall-grün. Ein paar Schmetterlinge flattern herum. Weiter oben weisse Vögel, die wir Paradiesvögel nennen. Nicht, dass es welche wären. Aber wir finden sie so wunderschön, mit ihren langen Schwanzfedern und weil sie so weiss sind, weisser als all unsere Bettlaken.
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Dann sehen wir das untere Ende des Wasserfalls. Wir baden im äusserst trüben Pool davor, tasten uns mit dem Skistock in der Hand vorwärts, krabbeln über die Unterwassersteine und eine kleine Stromschnelle hinauf bis fast zum Fall vor. Das Donnern des Wassers und der Wind des Falls ist gewaltig. Später hören wir von den meterlangen, armdicken Aalen in dem Pool. Aber eben erst später...
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Auf dem Rückweg treffen wir (Land-)Touristen, die uns ganz empört fragen: "Wie kommt Ihr denn hierher?" Sie hatten alle Mühe, ein Boot zu finden, das sie von Taiohae rüber bringt. Der Guide wollte dann aus Angst vor Steinschlag nicht weiter. So machten sie kurz nach dem Steinschlag-Schild ihre Mittagspause - an der dümmsten Stelle, gleich unterhalb eines Felsens, wo grosse Steine und Riesenstücke Moos heruntergefallen sind. Tja, dazu fällt uns nichts mehr ein.
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Der Hunger packt auch uns und wir wollen picknicken. Es reicht gerade, um ein Brot auszupacken und ein paar Scheiben Salami draufzulegen. Dann heisst es aber wieder Reissaus nehmen. Immer schön in Bewegung bleiben wegen der Mücken, die uns trotz DEET mögen.

Zurück im Dorf quatschen wir Taioa an und tauchen mit seinen Geschichten ein in eine fremde Welt. Taioa ist ein richtig netter Kerl. Jäger. Trägt eine Kette aus Wildsauzähnen - alle selbst erlegt. Hat viele Hunde, die er nach der Jagd wieder selbst zusammenflickt - also näht. Vor Kurzem haben seine Hunde einen Eber aufgespürt, als er eigentlich gar nicht auf der Jagd war. Er hat den 200kg-Eber mit dem Messer erlegt. Eine grosse Narbe am Bein zeigt, wie gefährlich die Wildschweine sein können.

Ein gesatteltes Pferd steht breitbeinig und mit hochaufgerissenen Augen vor seinem Haus. Er hat es erst vor zwei Wochen eingefangen, um es zuzureiten. Sie spannen eine Schlinge zwischen Bäumen auf. Einer treibt die Pferde hindurch, ein anderer beruhigt danach das gefangene Pferd. Manchmal brechen sich die Pferde beim Einfangversuch ihr Genick. Später sehen wir, wie sie für die ersten Reitversuche ins Meer gehen - so tut der Sturz nicht so sehr weh.

Taioa hat auch Kühe, nämlich die an "unserem" Strand. Er kastriert und schlachtet sie selbst. In Frankreich hat er gelernt, Wurst, auch Blutwurst, und Schinken selbst zu machen. Auch einen seiner Hunde hat er kastriert. Der ist dadurch so anhänglich geworden, dass er sein Herrchen nicht mehr aus den Augen lässt. Immer wenn Taioa mit dem Boot nach Taiohae fährt, rennt sein Hund den ganzen Weg hinterher. Das sind immerhin vier Stunden für Menschenfüsse und man sieht vom Pfad aus das Meer nicht.

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Als Taioas Tochter geboren wurde, brachte er die Nabelschnur kletternd auf den steilen Berg hinter ihrem Haus. Leider haben wir es verpasst zu fragen wieso. Nach diesen und noch mehr Geschichten gibt er uns aus seinem Garten so viele Früchte mit, wie wir tragen können und wir backen ihm im Gegenzug eine Zitronen-Rahm-Tarte.
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Ein paar Tage später gehen wir mit anderen Seglern bei Kua, Taioas Nichte, und ihrem Mann Teiki Mittagessen: Flusskresse-Salat an Bananenvinaigrette, Kochbananen, süsse Bananen frittiert, Brotfrucht, Ziegenfleisch an Kokosmilch mit Knoblauch und Ingwer, Crepes mit wildem Honig. Dazu Limonade - alles selbstgemacht, versteht sich. Also die Ziege jagen und sich von den Bienen stechen lassen. Die beeindruckt nämlich ein bisschen Rauch nicht allzu sehr. Das Essen war typisch marquisisch und sehr, sehr lecker. Während wir schlemmen, erzählen uns Kua und Teiki von ihrem Leben hier in diesem abgelegenen Tal. Auch von den Ausländern, die sie kennenlernen.
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Einmal hatten ein paar Amerikaner bei ihnen Essen vorbestellt. Als sie dann aber erfuhren, dass Teiki die Crevetten und die Ziege selbst gefangen hatte, wollten sie nichts mehr anrühren und auch nicht bezahlen. Begründung: Es sei nicht aus dem Laden...?!? Auch die Früchte haben sie verschmäht, weil kein Biolabel drauf war. Manchmal kann man nur noch den Kopf schütteln. Wir jedenfalls haben jede Menge Früchte eingepackt. Schon allein 30 Pampelmusen, die mindestens dreimal so gross wie Grapefruits sind. Dazu jede Menge Zitronen, die wir auch auf den Tuamotus verschenken möchten. Ihr glaubt gar nicht, wie ansteckend dieses selbstverständliche Geben und einander Helfen der Polynesier ist.
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An einem schönen Nachmittag gehen wir noch ein bisschen im Tal hinter unserem Strand wandern, rutschen den Kuhpfaden entlang, jodeln (?), damit wir die Wildschweine nicht überraschen. Und auch nicht umgekehrt. Finden ein paar Tamarindenbäume und sammeln Schoten. Und dann ist's so weit: Wir lichten den Anker, verabschieden uns von Nuku Hiva, das wir so sehr ins Herz geschlossen haben, und segeln rüber nach Ua Pou, der letzten Marquesasinsel, die wir noch besuchen wollen.
Letzte Änderung am 11 08 2013 durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt