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Logbuch der SY Seluna
Abenteuer in Tahanea
Am neuen Ankerplatz beim Hauptpass von Tahanea kommen ein paar Tage voller Extreme auf uns zu. Das Schnorcheln im Motu Puapua, dem westlichen Pass, ist atemberaubend. Alles voll mit lebenden Korallen und bunten Fischen. So etwas habe ich noch nie erlebt!
Doch dann zieht schlechtes Wetter auf. Ein Tief bildet sich ganz in der Nähe. Starke Nord- und Ostwinde sind angesagt, aber es kommt dann doch anders, nämlich aus Westen. Sehr schlecht, denn in diese Richtung sind wir nicht geschützt. Wellen bauen sich auf, steil und sicher anderthalb Meter hoch. Unsere Ankerkette verfängt sich irgendwo an einem Korallenblock. Wir verlängern die Kette und schützen sie vor weiterem Hängenbleiben, indem wir Fender und Bojen dran binden. Schon weht es über 30 Knoten, als ein Knall uns aufschreckt.
Eine Ankersicherung ist gerissen, die andere dehnt es in die Länge und wir hängen kurze Zeit an der Sicherung, die die Nuss der Ankerwinsch blockiert. Die Wellen sind stärker, die Sicherung verbiegt sich. Kaputt. Wir knoten gleich drei Sicherungen an die Kette, schon reisst die nächste. Mit jeder neu eingebundenen Ankersicherung kommen wir dem Ufer hinter uns wieder ein Stückchen näher und die Wellen türmen sich noch höher und steiler auf.
Und ich sage Euch, es ist nur mässig spassig auf dem Bug kniend einen Stopperstek an die Ankerkette zu knoten, wenn man bei jeder dritten Welle Salzwasser schluckt. Ist mir schon klar, warum Leo den Knoten noch immer nicht können will...
Leo beginnt mit der Ankerwache. Es ist eine lange Nacht! Wir lassen den Motor im Vorwärtsgang mitlaufen, um das Ankergeschirr ein bisschen zu entlasten. Vielleicht zum ersten Mal haben wir Angst um unser Schiff. Bange Stunden.
Zwei Tage später erinnern nur noch zwei Paar dunkle Augenringe daran. Und die verissenen Trossenstücke, die wir am Meeresboden zusammen suchen. 18mm dicke Leinen sind tatsächlich gerissen, nicht durchgescheuert. Unglaublich, diese Naturkräfte. Ein paar Tage später erfahren wir, dass Freunde von uns weniger Glück hatten. Der Sturm hat sie weit heftiger erwischt mit gegen 60 Knoten Wind. Sie sind alle wohlauf, aber ihr havarierter Katamaran wartet auf dem Strand von Apataki auf Bergung.
Wie, um uns auf andere Gedanken bringen zu wollen, surfen auf den letzten hohen Wellen gleich vier Mantas an uns vorbei. Dann zeigt sich die Sonne wieder, der Wind dreht auf Nord und es wird ruhiger. Ich sitze auf dem Cockpitrand. Was war das? Ein Riesensprutz (wie sagt man denn das auf Deutsch?). Zwei Wale! Sie springen in der Lagune, gar nicht weit weg. Nebeneinander sitzen wir auf dem Rand, essen unser Mittagessen und geniessen dieses Schauspiel. Und noch etwas anderes werden wir nicht mehr vergessen: In der Lagune gibt es verteilt viele kleine Flachs, Koralleninseln, die nur bei Ebbe ein bisschen oben herausschauen - oder auch nicht. Was den Segler gelinde gesagt beunruhigt, freut den Schnorchler umso mehr! Wir ankern unser Dinghy bei einem Flach und tauchen ab in eine andere Welt. Eine unglaubliche Vielfalt an Rifffischen und an richtig grossen Schnappern und Zackenbarschen. In zwei Schnorchelgängen schiessen wir mehr einmalig schöne Unterwasserbilder als in zwei Jahren in Panama. Hier ein kleiner Vorgeschmack.
Ein beständiger, aber leichter Passat setzt ein und wir gehen in der Lagune auf Entdeckungsreise. Mit Hilfe eines gerade erhaltenen Navigations-Programms, das auch Satellitenbilder verwenden kann, machen wir einen geschützten, aber in den Büchern unbekannten Ankerplatz ausfindig. Wir liegen ruhig hinter einem Riffband und gehen mal wieder schnorcheln. Der grösste Napoleonfisch, den wir je gesehen haben, kommt uns begrüssen. Wir entdecken einige Perlenaustern und rätseln darüber, ob wohl ein Oktopus in der Höhle wohnt, vor der so viele Mördermuschel-Schalen liegen.
Und dann passiert etwas Unerhörtes: Wir werden tatsächlich mutig. Wir fahren zu der Insel mitten im Atoll zurück, die uns auf dem Hinweg schon so gut gefallen hat. Voller Vögel der Himmel, voller Korallen das Meer. Nur Ankerplatz gibt's keinen. Leo legt eine Kette um einen Block, befestigt daran eine Boje (Strandgut von Makemo) und daran machen wir fest mit einer Trosse, die wir wiederum mit jeder Menge Strandgut zur Schwimmleine umfunktionieren. So bleiben wir nicht an anderen Blöcken hängen. Aber als der Wind am nächsten Morgen fast ganz einschläft und der letzte Hauch um die Insel gelenkt wird, sind wir den Felsen, die definitiv zu flach für Seluna sind, schon verblüffend nah. Doch wir bleiben mutig und eine Nacht länger.
Wir machen eine kleine Lücke im Gebüsch und den Felsblöcken aus, wo wir landen können. Wir schützen unser Dinghy mit dicken Ästen vor den spitzen Felsen und das nur drei Meter von mehreren Fregattvögeln entfernt. Sie sitzen in einem Busch und beäugen uns neugierig. Mit einer Flügelspannweite von fast zweieinhalb Metern sind sie schon beeindruckend gross. Dabei bringen sie nur anderthalb Kilo auf die Waage und sind somit die am leichtesten gebauten Vögel überhaupt. So kommt es auch, dass sie gleiten und fliegen wie Weltmeister. Während wir uns also gegenseitig bestaunen, inspiziert ein kleiner Hai meinen Knöchel, bis ich ihm zeige, dass ich nicht nur aus einem kleinen Fuss bestehe. Schnell ist er weg!
Sehr behutsam gehen wir durch die Büsche, um ja nicht einen Vogel zu erschrecken. Gelingt uns allerdings nicht wirklich. Ein Rotfuss-Tölpel entschliesst ganz plötzlich, doch noch Reissaus zu nehmen. Aber wie's der Name schon sagt: So leicht ist das Abheben für ihn nicht - auch nicht mit roten Füssen. Leo kann sich gerade noch rechtzeitig ducken.
Überall im Gebüsch sitzen flauschig-weisse Fregatt-Jungtiere. Wir entdecken gar ein ganz frisch geschlüpftes und noch völlig nacktes Tölpel-Küken in einem Nest auf dem Boden. Schnell gehen wir weiter, damit auch das zweite Ei bald ausgebrütet ist. Ein paar Fregattvogel-Männer sitzen noch in ihrem Balzkleid mit den grossen, knallroten Kehlsäcken auf den Nestern. Vögel überall. Schon allein der grosse Fregattvogelschwarm, der immer höher in die Lüfte zieht, bis man nur noch kleine Punkte am Himmel sieht, zählt etwa 200 Vögel.
Da wir leider nicht mit den Vögeln mitfliegen können, baden wir eben mit den Fischen. Nicht annähernd so elegant wie ein Schwarzspitzenhai erkunden wir die faszinierende Unterwasserlandschaft mit ihren viele Meter hohen Korallenblöcken und schiessen hunderte von Fotos. Wir können uns gar nicht sattsehen an all den farbigen Fischen.
Dann suchen wir ein neues Plätzchen für Seluna beim kleinsten der Pässe von Tahanea, dem Otao. Wir schnorcheln bei Slackwater und lassen uns mit der einsetzenden Strömung ins Atoll treiben. Wunderschön! Noch mehr Fische, aber dafür weniger schöne Korallen als im Westpass. Aber das Highlight sind für uns beide unsere Schnorchelausflüge zu einem kleinen Flach eine Meile tiefer im Atoll.
Hier entdecken wir solch eine Vielfalt an Fischen, schiessen die wunderschönsten Fotos von winzig kleinen Kugelfischen, Seenadeln und jungen Kaiserfischen und vom nicht so winzigen Seidenhai. Fast so lang wie der Hai sind auch die beiden Makrelen, die sich gerade putzen lassen. Im Wasser zwischen hunderten von Fischen schweben, dem geschäftigen Treiben zuschauen, Neues entdecken, geniessen und irgendwann frieren. Dann ab nach Hause und - die Sonne macht's mögich - heiss duschen!!! Abends sitzen wir mit einer heissen Schokolade (jetzt habt Ihr's auch begriffen: Wir sind nicht mehr in den Tropen!), unseren Fischbüchern und den neuen Fotos auf dem Bett und versuchen, all die Fische zu bestimmen. Damit Ihr Euch ein Bild machen könnt: Allein 15 Falterfischarten sind darunter! Und plötzlich sehen wir unsere Bücher mit ganz anderen Augen an, und sagen beim Durchblättern: "Schau mal, den kennen wir noch nicht!" Die Biodiversität hier ist einfach umwerfend.
Tahanea gefällt uns dermassen gut, dass wir uns völlig Seluna-untypisch verhalten. Als wir schon alles bereit haben zum Auslaufen - also schon vorgekocht, alles aufgeräumt, Dinghy oben und so, entscheiden wir kurzerhand, doch noch drei Tage länger zu bleiben. Und nur zwei Stunden vor Sonnenuntergang kommt es uns dann noch in den Sinn, zum geschützteren Ankerplatz zu wechseln. Jetzt aber ranhalten! Am Ende waren wir über einen Monat in Tahanea, als wir dann doch noch nach Fakarava aufbrechen. Ein Monat, den wir sehr genossen haben!
Letzte Änderung am
23 10 2013
durch Gesina und Leo. Feedback/Kontakt